Entwicklung der Weltsprache


Schon vor 300 Jahren haben die großen Philosophen LEIBNIZ und DESCARTES sich mit dem Gedanken einer Weltsprache ernsthaft beschäftigt. Leibniz selbst hat ein System geschaffen, und seitdem sind mehrere hundert Entwürfe gemacht worden, die aber keine Verbreitung fanden.

Der erste Entwurf, der weiter bekannt wurde, war  Volapük. Im Jahre 1880 wurde es von dem Pfarrer Schleyer veröffentlicht. Aber diese Sprache war zu künstlich und stellte große Anforderungen an das Gedächtnis. Darum konnte sie nicht durchdringen.

Viel besser war das 1887 von dem Warschauer Arzt Dr. Zamenhof herausgegebene Esperanto. Seine Grammatik ist einfach, die Wort­stämme sind meist den natürlichen Sprachen entnommen, die Anwendung von Vor- und Nachsilben ermöglicht eine große Zahl von Wort­ablei­tungen. Trotzdem haften auch dieser Sprache schwere Mängel an. Zamenhof selbst hat 1894 und später Reformen vorgeschlagen, aber es blieb bei den alten Gebrechen.

Die nacheinanderfolgenden vielen Weltsprache-Entwürfe der letzten dreihundert Jahre zeigen eine bestimmte Entwicklung, da jedes System aus den Erfahrungen der vorhergehenden lernte. Die ersten zeigen einen philosophischen Aufbau mit willkürlich ausgewählten Sprachelementen. Die Entwicklung führte dahin, daß die späteren Entwürfe sich immer mehr und mehr an die existierenden Sprachen anlehnten; sie zeigten also sprachwissenschaftlichen Aufbau. Die Erfinder bildeten den gesamten Wortschatz unter Benutzung der existierenden Sprachen und ent­sprechen­den Vor- und Nachsilben, so z. B. Volapük und mehr noch Esperanto. Dadurch, daß die beim Gebrauch der früheren Systeme gemachten Erfahrungen ausgenutzt wurden, kamen immer wieder neue auf, so z. B. Idiom Neutral als Reform des Volapük.

Alle diese Entwürfe hatten, obwohl sie Verbesserungen gegen die früheren waren, den Nachteil, dem Kopf eines einzigen Mannes entsprungen zu sein. In allen waltete mehr oder weniger  Willkür des Erfinders, ja sogar Bevorzugung bestimmter Sprachen usw. Sie alle bewiesen schlagend, daß es unmöglich ist, daß ein einziger Mensch diese gewaltige Aufgabe lösen kann. Da schufen Wissenschaftler aller Länder und Sprachen in internationaler Zusammenarbeit die wissenschaftlich begründete Weltsprache IDO.

Ido.   Anläßlich der Pariser Weltausstellung 1900 hatte sich wieder das Bedürfnis nach einer Weltsprache stark geäußert. Deshalb wurde eine „Delegation für die Einführung einer internationalen Hilfssprache“ gebildet. Das erste Ergebnis ihrer Beratungen waren folgende Thesen:

  1. Die Hilfssprache muß ebenso den Bedürfnissen des täglichen Lebens wie den Zwecken des Handels und Verkehrs, wie endlich den Aufgaben der Wissenschaft zu dienen imstande sein.
  2. Sie muß für alle Personen von elementarer Durchschnittsbildung, insbesondere für die Angehörigen der europäischen Kulturwelt, leicht erlernbar sein.
  3. Sie darf keine der lebenden nationalen Sprache sein.

Im Jahre 1907 waren schon 310 Gesellschaften und 1250 Professoren der Delegation beigetreten. Von dieser wurde ein Ausschuß gewählt, der in Paris vom 15. – 24. Oktober 1907 unter dem Vorsitz von Professor Wilhelm Ostwald alle vorgelegten Sprachsysteme prüfte. Dem Ausschuß gehörten hervorragende Sprachgelehrte und Philosophen aus Europa an. Er beschloß, Esperanto als Grundlage anzunehmen, wenn die Mängel ausge­merzt werden. Von dem Esperantisten de Beaufront war ein Projekt unter dem Namen „Ido“ eingereicht worden, das im allge­meinen bereits die Verbesserungen nach den Wünschen des Ausschusses enthielt. Obwohl Zamenhof im voraus seine Zustimmung dazu erklärt hatte, daß ein sachkundiger, wissenschaftlicher Ausschuß seine Sprache ändere, hielt er starr an seinem System fest. Aber ein großer Teil der Esperantisten arbeitete eifrig an der Verbesserung mit. Eine Ido-Akademie vollendete in fünfjähriger wissenschaftlicher Arbeit, unter­stützt von Gelehrten und Praktikern aller Berufe, das Werk.

Die Ido-Akademie ist das sprachwissenschaftliche Organ der Ido-Bewegung, dessen hauptsächlichste Aufgabe ist, die schöpferisch-sprachwissenschaftlichen Arbeiten der einzelnen Mitglieder zu organi­sie­ren, und unter Wahrnehmung der Einheitlichkeit der Sprache deren Entwicklung zu sichern, so daß Ido immer mit dem jeweiligen Stand der Wissenschaft Schritt hält.

Fortschritt und Einheit der Weltsprache stehen nicht im Wider­spruch, indem die Entwicklung organisiert wird, wie es die Ido-Bewegung durchführt.

Alle Reformvorschläge, ebenso die endgültigen Entscheidungen der Ido-Akademie, erscheinen im offiziellen Organ der Akademie (von 1904 bis 1914 „Progreso“, heute „Mondo“). Hier wurden die Vorschläge einer öffentlichen Diskussion aller Weltsprachler ausgesetzt. An den Arbeiten haben Mitglieder der verschiedenen Nationen teilgenommen. So ist Ido das Resultat einer  kollektiven, wissenschaftlichen Arbeit. Diese Arbeitsmethode, die auch heute noch angewandt wird, sichert dem Ido eine Stabilität, Einheitlichkeit und wirklichen inter­na­tio­na­len Charakter. In Ausdrucksfähigkeit und Klar­heit über­trifft Ido nicht nur Esperanto, sondern auch alle natürlichen Sprachen, wohl die meisten auch an Schönheit; dabei ist es die leichteste aller Sprachen.

Die Esperantisten wollen die Einheit der Weltsprache dadurch wahren, daß sie sich auf diese Formen der Sprache versteifen, die in einem Werk von Zamenhof, „Fundamento“, niedergelegt sind. Sie sagen, daß ebenso, wie seit Leibniz ein System das andere ablöste, es so weitergehen wird, wenn nicht alle weiteren Reformen des „Fundamento“ abgelehnt werden. Ido unterscheidet sich aber in zwei Beziehungen von allen vorherigen Weltsprachen, auch von Esperanto.

  1. Ido ist eine kollektive Arbeit in internationalem Maßstab; dagegen wurden die anderen Systeme von einem einzelnen geschaffen.
  2. Die Ido-Bewegung hat die Entwicklung der Sprache organisiert, die anderen Sprachen aber haben die Weiterentwicklung nicht vor­gesehen.

Der Zustand der Ido-Sprachbewegung zeigt, daß die Grundlage, auf der Ido aufgebaut ist, die Einheit sichert. Der durch die wissen­schaftliche Methode und den organisierten Fortschritt gesicherten Einheit des Ido steht die dogmatische, die Entwicklung hemmende Einheit des konservativen Esperanto gegenüber, die aber, wie wir später zeigen werden, ungeeignet ist, die Einheit der Sprache zu gewährleisten.


Genügt Esperanto für die Arbeiterschaft?

Die Idisten vertreten die Auffassung, daß man eine  in jeder Beziehung vollkommene  Weltsprache braucht, und darum eine Reform des Esperanto äußerst notwendig ist. Denn Esperanto ist da ganz ungenügend, wo eine genaue, vollkommene Ausdrucksfähigkeit gefor­dert wird. Das ist der Fall vor allem in der Wissenschaft und auf inter­ationalen Konferenzen, die in der Arbeiterbewegung ständig zahlreich stattfinden. Die Behauptung der Arbeiter-Esperantisten, daß Esperanto für die Arbieter genügt, stellt sich den Arbeiter als Wanderburschen vor, der im Ausland nach Logis oder Arbeit nachfragt. Hier reicht Esperanto sicherlich aus. Aber man vergißt dabei die immer häufiger werdenden Kongresse.  –


Durch wissenschaftliche Methode und organisierten Fortschritt
ist die Einheit der Weltsprache für immer gesichert.

Ein jeder Dorfbewohner kommt mit seinem Dialekt und seinem kleinen Wortschatz aus und fühlt nicht die Mängel seiner Sprache. Dagegen welcher Volkshochschullehrer oder Versammlungsredner hätte nicht gefühlt, daß er mit seiner alltäglichen Sprache nicht auskommt und nach neuen Ausdrücken suchen muß! Ebenso wie die Wissenschaftler und Diplomaten, so brauchen auch die Arbeiter eine vollkom­mene Sprache.


Ido ist diesen höheren Anforderungen angepaßt

Die Esperantisten selbst fühlen die Mängel ihrer Sprache, und seit der Entstehung des Ido haben sie manche Reformen durchgeführt. Besonders diejenigen, die in Esperanto Uebersetzungen machen oder Originalwerke schreiben, können die Reformen nicht umgehen. So führt man neue Wurzeln ein, die immer durch die Muttersprache und durch die Sprach­kenntnisse des Betreffenden beeinflußt werden.

Wir finden in allen Esperantoschriften sehr viele Idiotismen von nationaler oder individueller Eigenart, die für die anderen Nationen gar nicht oder nur sehr schwer verständlich sind, und wir finden viele „private“ Wörter, die in keinem Esperanto-Wörterbuch zu finden sind. Im „Revuo Internaciona“ wird man dafür viele Beweise finden, die aus den neuesten Esperanto-Zeitschriften entnommen sind.

Sehr oft aber lehnen sich diese Reformen an Ido an und verletzen sogar das „Fundamento“.

Wir führen hier nur einige Beispiele an.


Aus „Sennaciulo“ vom 29. 1. 1925, Beilage „La Lernanto“:


"LINGVA ANGULO

Vortoj, trovitaj en „Sennaciulo“ sed ne en esp. vortaro (Wörter, die in „Sennaciulo“ gefunden wurden, aber nicht im Esperanto-Wörterbuch):

akumuli   amasigi, ekz. kapitalon;
dumpingo   vendo de produktaĵoj je prezoj subnormaj por domaĝi
        konkuranton;
evakui   liberigi, ekz. okupitan teritorion, urbon;
federo, konfedero, konfederaĵo   kunigo, ligigo, ligo, kunligo sur
        memstara bazo (por komuna ago), komp. federacio;
kampanio (fr. campagne)   militiro, agit-initiativo;
perturbi   malarangi, kaosigi, konfuzi;
potenciala   enhavanta la eblecon, la povon (por efiki);
protuberanco   tuberaĵo, elkreskaĵo, svelaĵo, (anatomie, ĉe astroj kaj
        metafore)."


Aus „Sennaciulo“ vom 26. 2. 1925, Beilage „La Lernanto“:


"LINGVA ANGULO

Vortoj, trovitaj en „Sennaciulo“ sed ne en esp. vortaro:

antipodo   loĝanto de la diametre kontraŭa tera duonglobo; ankaŭ
        metafore uzata; rekta kontraŭulo;
bonzo   budhista pastro en Ĉinio kaj Japanio; persono, kiu tenas
        postenon, plunumas funkcionon komuninteresan nur por sia
        propra profito kaj utilo;
fertila (lat.)   fruktodona, fekunda;
hiperbolo   troigo, trograndigo, (metafore);
konkubino   kromvirino, nelega edzino;
kristalizi   kristaligi, (metafore) distinge densigi, per klara distingo
        marki;
lozungo   signaldiro, signalvorto;


Kunmetitaj vortoj

Oni ofte renkontras en la ĉiutaga uzado de nia lingvo (skribe kaj buŝe) la trouzon de kunmetitaj vortoj, kiuj estas kompilitaj el tri aŭ eĉ pli multaj vortradikoj. Kvankam ni ne volas diskvalifiki la aplikon de kunmetitaj vortoj entute, kiuj ja konformas al legoj de logiko, simpleco kaj fleksebleco en espo, ni tamen avertas – pro la belsoneco, la prononcado, la komprenebleco – kontraŭ troigoj kaj tiaj misformoj, kaj jenaj vortoj:

poŝtmarkkolektanto   (kolektanto de poŝtmarki),
fervojakciposedanto   (posedanto de fervojaj akcioj),
malsanulasekuroficejo   (oficejo de malsanulasekurado),
stattribunalprezidanto   (Prezidanto de stata tribunalo),

Tamen, se tiaj vortkunmetoj estas interligitaj per afiksoj, kiel ekz. en la vortoj: liberpensulgazetoj, altmontarloĝanto, on povas bontrovi tiuj formojn, ĉar la belsoneco ne suferas.

Alia averto: Evitu, kunmetante vortsilabojn, la tromasigon de konsonantoj. Oni ekz. ne diru manĝĉambro, sed manĝoĉambro, kudrmaŝino, sed kudromaŝino, ne pluvvetero, sed pluvovetero (aŭ pluva vetero).

Se oni absolute volas apliki vortmonstrojn, oni almenaŭ metu streketon inter la diversaj vortradikoj."


Aus „Sennaciulo“ vom 26. 3. 1925, Beilage „La Lernanto“:


"LINGVA ANGULO

Afiksoj ne troveblaj en plej multaj lernolibroj
(Ableitungssilben, die in den meisten Lehrbüchern nicht zu finden sind)

La scienco bezonas krom la afiksoj kutime uzataj ankoraŭ kelkajn aliajn, kiujn ni ĉi tie notu, ĉar ili iafoje ankaŭ en la komuna lingvo de l'ĉiutaga vivo estas aplikataj. Tial ni ĉi-sube citas ilin kun kelkaj klarigaj ekzemploj.

  1. -izi, nur por konkretaĵoj signifikas "igi ion per ...", ekzemple: orizi, objekton cirkaŭmeti per oro; la orizita horloĝo; gluizi: la poŝtmarkoj estas dorsflanke gluizitaj (ili esas ŝmiritaj per gluaĵo); akvizi: la vendistino trompis la aĉetanton akvisinte la lakton (miksinte kun akvo la lakton).
  2. -oza, ankaŭ nur por konkretaĵoj, signifikas "abunda je, riĉa je ...", ekzemple: stonoza vojo, t. e. vojo karakterizata per abundeco de stonoj sur ĝi kuŝantaj. – La kukumo estas akvoza (entenas multe da akvo). – La fumaĵita haringo estas saloza (salenhava).
  3. -atra, malofte uzata, signifikas similecon laŭ koloro. Ekzemple: La Moselo havas verdatran, la Rejno grizatran akvon (t. e. verd-aspektan, griz-aspektan akvon). La mortanto havas kalkatran vizaĝon.
  4. mis-, anstataŭas pezecajn kunmetaĵojn kun malbon-, erar-, fuŝ-. Ekzemple: miskompreni (anst. erarkompreni), misuzi (anst. malbonuzi, misnaskito (anst. fuŝnaskito)."

Nachdem die Esperantisten gegen Ido dicke Bücher geschrieben haben, führen sie Wörter, Nachsilben usw. ein, die sie vorher im Ido kritisierten. Die Esperanto-Bewegung könnte eine riesige Arbeit ersparen, wenn sie ehrlich auf die Ido-Wörterbücher und Grammatiken hinweisen würde, wo diese Reformen des Esperanto zu finden sind.

Die Einführung der Reformen in das Esperanto wird aber der Willkür des einzelnen oder der Gruppen überlassen, so daß heute die Einheit des Esperanto, trotz dem aus Verleger-Interessen geschaffenen „Fundamento“, vollkommen illusorisch ist.

Betreffs weiterer Mängel des Esperanto verweisen wir auf die Broschüre von Nik Yushmanov: „100 Grundfehler des Esperanto“ und auf „Revuo Internaciona“.


Ido multe superesas Esperanto!


Vergleichender Text Esperanto - Ido

Primitives Esperanto

Original-Text aus „Sennacieca Revuo“
(marto 1923, pag. 3).
ĉ=tsch, ĝ = d und weiches sch zusammen.

Wissenschaftlich verbessertes Esperanto = Ido

Tiuj – ĉu viroj ĉu virinoj – kapablis forigi el sia penso kaj koro la prirasajn antaŭjuĝojn, tiuj certe ne povas konservi priseksajn antaŭjuĝojn, tiuj – ĉu viroj ĉu virinoj – kiuj povas racie juĝi, t. e. sen partieco kaj malamo, la plej alte gravajn sociajn demandojn, tiuj ne povas aprobi tiajn stultecajn juĝojn pri la virina menso kaj inteligento.

Ve, al tiuj – ĉu viroj ĉu virinoj – kiuj kuraĝas sin liberigi je tiuj antaŭjuĝoj! Kiajn mok-ridindaĵojn oni ne uzas kontraŭ la gefemi­nistojn? Kian malamon oni ne havas al ti-kiuj kuraĝas diri: "Laŭ nia opinio ekzistas nek interrasaj nek interseksaj luktoj, ekzistas nur la internacia klasbatalo. Vi, sufe­ranto, ni amas vin kaj ni helpos al vi, ne demandante vin pri via lando kaj sekso. Vi, kiu deziras laboradi kun ni – viroj kaj virinoj – ni ĝoje vin akceptos en nian anaron. ĉiuj kune ni atakos la malnovajn mal­amikajn fortikaĵojn cementitaj per menso­goj kaj maljustaĵoj; ti-kiuj – ĉu viroj ĉu virinoj – pereos dum la balo, tiuj rajtos nian dankon".

Omni, e homuli e homini, qui esas kapabla extirpar ek sua penso e kordio la rasal prejudiki, certe ne povas konservar sexual prejudiki. Omni, e homuli e homini, qui povas judikar racionale, t. e. sen partisaneso ed odio, pri la maxim grava social problemi, ne povas aprobar ta stultesal judiki pri hominal mento ed intelekto.
 

Ve, ad omni, e homuli e homini, qui kurajas liberigar su de ta prejudiki! Quanta mok-ridindajin on uzas kontre la feministi? quanta odion on havas kontre ti qui kurajas dicar: «Segun nia opiniono existas nek interrasa nek intersexua lukti, existas nur l'internaciona klas-kombato. Tu, sufranto, ni amas e helpos tu ne questionante pri tua lando e sexuo. Vi, qui deziras laborar kun ni, homuli e homini, ni joyoze aceptos vi en nia rondo. Ni omna kune atakos l'anciena enemikal fortresi cementi­zita per mentii e desyustaji. Ti, e homuli e homini, qui perisos kom­batante, meritos nia gratitudo».



Progreso esas vivo, stagno esas morto!



Warum ist Ido die leichteste Sprache?

Wenn der Schreibende Zeit sparen will und unleserlich schreibt, so muß der Leser mehr Zeit für das Lesen verwenden, und diese Mehrarbeit kann oft das Doppelte oder Dreifache der Zeitersparnis des Schreibenden aus­machen. Ebenso ist es mit der Sprache (vor allem mit der geschriebenen Sprache). Wenn der Autor sich nicht genügend Mühe gibt, sich klar und leichtverständlich auszudrücken, so muß der Leser sich mehr anstrengen und wird oft doch nicht zum Ziele kommen.

Bei der Beurteilung der Leichtigkeit der Sprache muß man zwei Momente berücksichtigen: die Arbeit des Autors und die Arbeit des Lesers.

Ido ist, verglichen mit allen nationalen und künstlichen Sprachen, auch mit Esperanto, wesentlich leichter. Wer nationale Sprachen gelernt hat, kennt ihre komplizierten Grammatiken mit vielen Unregelmäßigkeiten, ihre nicht durch Regeln erfaßbaren Spracheigentümlichkeiten, die für mache überhaupt nicht restlos erlernbar sind. Esperanto ist viel einfacher. Die Grundlagen seiner Grammatik sind dem des Ido sehr ähnlich, und darum ist es vor allem notwendig, die Unterschiede zwischen Ido und Esperanto in bezug auf die Leichtigkeit der Sprache zu prüfen.

Die Leichtigkeit des Ido ist vor allem bedingt durch die konsequente Durchführung des Grundsatzes der größten Internationalität, den Forde­rungen der Logik und der Aesthetik in allen Elementen der Sprache.

  1. Die Auswahl der Wörter nach dem Grundsatz der größten Inter­natio­nalität ist in Ido mit der größten Sorgfalt durchgeführt worden, um so mehr, da an der Schaffung von Ido von Anfang an die Mitglieder der verschiedensten Nationen teilgenommen haben. Im Esperanto ist dieser Grundsatz verschiedentlich verletzt worden.

    1. Esperanto besitzt viele Wörter, die in keiner Sprache vorkommen, z. B. Gatte heißt in Esperanto edzo, in Ido spozo (vergl. Seite 10); nichts heißt in Esperanto nenio, in Ido nulo (DEFIRS): sofort heißt in Esperanto tuj, in Ido quik (englisch, schwedisch).

      Die Anzahl solcher künstlicher Wörter im Esperanto ist ziemlich groß, obwohl es doch in jedem Falle möglich ist, Wörter zu finden, die in mehreren Sprachen bekannt sind (vergl. spozo).

    2. Auch in den Fällen, wo im Esperanto die Wörter aus mehreren lebenden Sprachen genommen wurden, wurde die größte Verbrei­tung nicht genügend berücksichtigt, z. B. Wolf  heißt in Ido volfo, aus E. 500 Millionen, D. 80 Millionen und Russisch 100 Millionen (Volk), im Esperanto lupo, aus F., I., S., insgesamt 130 Millionen (vergl. 2. Lektion).

      Weitere Beispiele: D, Fuchs, Ido foxo, Esp. vulpo; D. Gans, Ido ganso, Esp. ansero; D. ledig, Ido celiba, Esp. fraŭla

    3. Esperanto verstümmelt die übernommenen Wörter, z. B. D. Keller, Ido kelero, Esp. kelo.
  2. Ido besitzt nur solche Laute, die für alle Europäer leicht aussprechbar sind. Keine Häufung von Konsonanten oder Vokalen. Esperanto besitzt einen Laut entsprechend dem deutschen ch – der in den meisten Spra­chen nicht vorkommt und darum nur schwer erlernbar ist. Dieses ĥ ist nicht nur schwer, sondern auch überflüssig und unrichtig. Chor (Musik) heißt in Esperanto ĥoro, wo doch sogar der Deutsche Kor ausspricht (in Ido koro). China heißt in Esperanto Ĥinujo (im „Sen­naciulo“ Ĥinio). Der Deutsche sagt Schina, der Engländer spricht in diesem Worte das ch als tsch, der Franzose als sch aus, also keiner so, wie es im Esperanto ist. (in Ido: Chinia). Cholera (Krankheit) wird im Deutschen als Kolera, Chaos als Kaos ausgesprochen. In Esperanto heißt es ĥolero und ĥaoso, in Ido kolero und kaoso.

    Auch sonst häufen sich unangenehme Laute: Ob sie alles weiß? heißt im Esperanto: ĉu ŝi scias ĉion?  Der heutige Tag = la hodiaŭa tago. Siehe auch den vergleichenden Text, welcher nicht von uns zusammen­gestellt wurde, sondern aus Esperanto-Zeitschriften ent­nommen ist. Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen Ido und Esperanto liegt in dem Satzbau, der für die Leichtigkeit der Sprache eine noch größere Be­deutung hat als der Wortschatz. Ido besitzt strenge Regeln (vergl. die Lektionen 15 und 16). Esperanto dagegen überläßt es dem einzelnen, das Richtige zu finden. Sicherlich ist diese Freiheit eine Erleichterung für den Schreiber; er braucht die Regeln nicht zu lernen und sich auch nicht den Kopf um die richtige Anwendung zu zerbrechen. Aber der arme Leser! Der kann manchmal Rätsel lösen. Diese Freiheit führt meistens dazu, daß jeder die seiner Muttersprache entsprechende Satzstellung benutzt, die aber für die anderen Nationen schwer ver­ständlich ist. In dem Satzbau des Ido äußert sich eine strenge Logik, welche aber international ist und den Autor bindet, aber sehr wesentlich zur Leichtverständlichkeit und Eindeutigkeit des Ido beiträgt. Uebrigens ist das Erlernen der Regeln und ihre Anwendung eine vorübergehende Arbeit. Nach einiger Uebung wenden wir die Regeln automatisch an.

  3. Die Grammatik des Ido ist noch einfacher als die des Esperanto, durch Wegfall der Mehrzahl beim dem Eigenschaftswort und des obligato­rischen Akkusativs.
  4. Ido besitzt mehr Wurzelwörter und Ableitungssilben wie Esperanto. Esperanto ist also leichter erlernbar, sagen die Espisten. Sicherlich, den Wortschatz des Esperanto kann man leichter erlernen. In diesem Sinne sind die ärmeren Sprachen leichter. Aber wie sieht es mit der Anwendung aus? Wenn einer etwas übersetzen will, dann muß er für alle Begriffe Ausdrücke haben. Wenn man den Begriff aus einem anderen Begriff ableiten kann, so versucht man in der Weltsprache, auch den Namen des Begriffes durch eine Ableitungssilbe zu bilden, vorausgesetzt, daß eine entsprechende Ableitungssilbe da ist. Wenn sie nicht existiert, muß man ein selbständiges Wort für den Begriff haben. Der Esperantist wird sich bei Uebersetzungen häufig in der Lage befinden, daß weder ein entsprechendes Wort noch eine Ablei­tungssilbe da ist, um das entsprechende Wort zu bilden. Der Autor muß hier einen passenden Ausdruck suchen. Aber wo? Im Esperanto-Wörterbuch gibt es keinen. Er muß eben einen Ausdruck einführen. Die Auszüge aus „Sen­naciulo“ im Kapitel „Ido und Esperanto“ beweisen zur Genüge, daß der Mangel an Ausdrucksformen dem Esperantisten diese Arbeit sehr oft aufzwingt.

    Was für ein Zeitaufwand für den Uebersetzer, der die neuen Ausdrücke aus dem Fremdwörterbuch oder Wörterbüchern der nationalen Sprachen heraussuchen muß! Und was verbürgt, daß der Uebersetzer einen allgemein annehmbaren Ausdruck findet und ein anderer Autor nicht die Anwendung eines anderen Ausdrucks für denselben Begriff vorziehen wird? Es ist noch eine glückliche Lösung, wenn man die Ido-Wörterbücher zu Rat zieht, wie es die Mitarbeiter des „Sen­naciulo“ sicherlich machten.

    Wir können den Schluss ziehen: Je ausdrucksvoller eine Sprache, desto leichter ihre Anwendung.

  5. Je wohlklingender eine Sprache, deso leichter merkt man die Wörter. Von der Ueberlegenheit des Ido in dieser Beziehung wird jeden ein vergleichender Text überzeugen. Wir haben auch in Punkt 2 auf diesen Unterschied hingewiesen. Hier noch einige Beispiele, wie durch einfache Reformen die Sprache an Wohlklang gewinnen kann:

    Esperanto

    apenaŭ
    kontraŭ
    malgraŭ

    Ido

    apene
    kontre
    malgre

    Deutsch

    kaum
    gegen
    trotz

    Diese Wörter führen zu den Neubildungen wie kontraŭa, kontraŭulo („Sennaciulo“ vom 26. 2. 25).

    Wir haben nur einen Teil der Argumente für die Leichtigkeit des Ido angeführt. Es sei noch erwähnt, daß die mustergültigen Wörter- und Lehrbücher auch viel dazu beigetragen haben, daß Ido leicht erlernbar, anwendbar und verständlich ist.


Können Idisten und Espisten einander verstehen?

Die allgemeine Anwendung der Weltsprache in der Arbeiterbewegung wird an der gleichzeitigen Existenz von Ido und Esperanto nicht scheitern müssen, da Ido und Esperanto weniger abweichend sind, wie zwei deutsche Dialekte, und deswegen Idisten und Esperantisten einander vollkommen verstehen. Ido und Esperanto sind eigentlich nicht zwei Sprachen, sondern zwei Entwicklungsphasen derselben Sprache. Die Aehnlichkeit wird noch durch solche Reformtendenzen, wie sie im „Sennaciulo“ zutage treten, gefördert.


Ist eine Einigung Ido-Espo möglich?

Die Einigung könnte gut durchgeführt werden durch Gründung einer gemeinsamen Sprachkommission der Arbeiterorganisationen auf der ganzen Welt, welche Kommission das Weltsprachenproblem einer gründ­lichen Prüfung unterzieht und für die Einführung der den Zwecken der Arbeiterbewegung mehr entsprechenden Sprache Sorgfalt trägt. Ein solcher Schritt wäre zu begrüßen, da er für die Einführung der Weltsprache in einem Jahre so viel leisten könnte, als die jetzigen Propagandamethoden bestensfalls in fünf bis zehn Jahren erreichen können.



Nach oben