CONFESSIONS
of a God Seeker

 
(Bekenntnisse eines Gottsuchers)
 
von Ford Johnson
 
TEIL VI
REISE ZU HÖHEREM BEWUSSTSEIN

 
Übersetzung: Hermann Philipps, Januar 2009
 
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Kapitel 13
Spirituelle und wissenschaftliche Basis des höheren Bewusstseins


 
Natur der Reise
Der Weg zur Gotteserkenntnis und ins Herz der Wahrheit
Das Gesetz der Einheit
   Die Illusion des Lebens
   Illusion: Wissenschaftliche Perspektive
   Das Erweitern oder Wechseln von Paradigmen
   Wie wir unsere Realitätsillusion erschaffen
   Der Traum der Schöpfung
   Ebenen in der Schöpfung der Realitätsillusion
Das Gesetz von Seele und Gottseele
Die Natur des ALL-SEIENDEN
Das Gesetz der Liebe
Die spirituelle Hierarchie
Das Gesetz der Dualität: Gut und Böse
Das Gesetz der Polarität
Das Gesetz des Geistes
   Arbeit zum Wohl des Ganzen
   Reagibilität des Geistes
   Die Natur des Gebets
   Die Macht des Glaubens
   Vorstellung und Gefühl
   Dauer der Konzentration
   Der Aktionsaspekt
   Wechselwirkende Natur des Geistes
   Der Geist und Du: Klarstellung der Rollen
   Neutralität des Geistes
   Geist und Schönheit
   Intelligenz (Kreativität)
   Geist ist Ordnung
   Die Illusion der geraden Linie (Gesetz der Zyklen)
   Die Quelle unserer Zweifel und wie man dem Geist vertraut
 

Natur der Reise

Mein bisheriges Leben war eine Reise in das Herz der Wahrheit. Die Reise zur Wahrheit ist das einzige Mittel, durch das die Seele erkennen und erfahren kann, was die Quelle ihres Daseins und was sie selbst wirklich ist. Diese Reise hat mich durch viel Brachland geführt, aber auch durch Gebiete, die reich an Erkenntnis und Wissen waren. Alle haben mein Verständnis des Unendlichen bereichert, das ich jetzt das „EINE“ oder „ALL-SEIENDE“ nenne. Wenn ich vom Weg abkam, wurde ich durch Ereignisse zur Wahrheit zurückgeführt, die nicht vorhersehbar waren, deren Bedeutung jedoch auf der Hand lag, als sie eintraten. Meine Begegnung mit Graham und die Reaktion des spirituellen Führers von Eckankar auf Grahams Aufzeichnungen waren die Katalysatoren, die mich auf den gegenwärtigen Teil dieser Reise führten. Ich erkannte Mängel in meinen Vorstellungen über das Göttliche, und dies half mir dabei, mich als geistiges Wesen sowie meine Identität im Eins-Sein mit dem ALL-SEIENDEN besser zu verstehen.

Ich bedauere keinen Teil dieses Weges, denn niemals gab es dabei eine Zeit, in der ich nicht lernte und wuchs. Auf den aufreibendsten Wegstrecken stieß ich auf spirituellen Schwindel und irreführende Vorspiegelungen über das Unendliche. Die Entdeckung dieses Schwindels diente mir als Orientierungshilfe, die mich auf dem nächsten Abschnitt des Weges die Richtung halten ließ. Ich bin dankbar für diese Erfahrungen und für die Bewusstheit, die sie mir brachten. Ohne sie hätte ich nicht mein heutiges Verständnis darüber, wie leicht Seelen irregeleitet werden können und – einmal irregeleitet – wie oft sie sogar darum kämpfen, auf vertrautem spirituellem Gelände verharren zu können.

Nachdem ich die mir von Eckankar in den Weg gelegte Verwirrung und Täuschung weggeräumt hatte, erlebte ich ein bemerkenswertes Wachstum zu höherem Bewusstsein. Durch intensive innere und äußere Erkundung verstand ich zunehmend die Natur von Religionen und das transzendente Element, das in allen von ihnen steckt. Ich erkannte aber auch, wo ihre Grenzen liegen und wie sie spirituell sogar hemmen können. Solche Einsichten gehören zu jedermanns Reise in das Herz der Wahrheit. Im Kern ist die Wahrheit einfach. Der Mensch umgibt diese Einfachheit mit Ritualen, Dogmen und unzähligen Klügeleien, die kein anderes Ergebnis haben als einen endlosen Kreislauf von Fragen und Antworten. So sieht das Streben nach Wahrheit aus, wenn es sich auf die Mittel des Verstandes beschränkt.

Der Weg zur Gotteserkenntnis und ins Herz der Wahrheit

Der Weg zur Gotteserkenntnis beschränkt sich nicht auf das Inkarnieren als Mann oder Frau. Ist das Puzzle endlich zusammengesetzt, finden wir, dass jede Form von der niedrigsten bis zur höchsten sich zu einer fortgeschritteneren Gestalt weiterentwickelt. Tatsächlich sind wir selbst einer der Kanäle, über die diese Entwicklung erfolgt. Wie könnte man beispielsweise die Zuneigung eines Haustiers erleben, ohne intuitiv zu fühlen, dass das Tier dabei ist, sich auf eine höhere Ausdrucksform von sich selbst vorzubereiten? Wie könnten uns die Konflikte entgehen, von denen es in unserem eigenen Körper wimmelt, ohne zu spüren, dass da noch manches andere vor sich geht, das mit unseren eigenen Wünschen und Interessen wenig zu tun hat. In unseren inneren und äußeren Körpern geschieht viel mehr als uns bewusst ist.

Wir können in diesen Strukturen einen Mikrokosmos des gesamten Universums erkennen. In jedem Keim und jeder Zelle unserer äußeren Hülle sind Seelen verkörpert, die ein Leben führen und Lektionen lernen. Wir als dominante Seele in diesem Kollektiv mühen uns damit ab, sie unter Kontrolle zu halten und zu dirigieren. Das ist der Grund, warum allein in der menschlichen Form so viele Inkarnationen nötig sind, um „alles auf die Reihe zu bringen“. Was wir hier an Erfahrungen machen, gehört also nicht nur uns allein. Wir leben in Gesellschaft mit anderen Wesen, die sich mit uns entwickeln. Je besser es uns gelingt, Harmonie mit allem herzustellen, was wir sind, umso mehr entfaltet sich alles, aus dem unser Wesen zusammengesetzt ist.

So wie unser Grad an Bewusstheit auch die Erweiterung des Bewusstseins anderer Wesen im Bemühen um spirituelles Wachstum unterstützt, so gibt es auch viel weiter als wir entwickelte Seelen, die daran arbeiten, uns in unserer spirituellen Entwicklung zu helfen. Wie könnte es auch anders sein? Das Große Werk aller fühlenden Wesen in allen Universen besteht ja darin, andere in der Erweiterung ihres Bewusstseins zu unterstützen. Wie es Seelen gibt, die in der Entfaltung ihres Bewusstseins hinter uns zurückliegen, so gibt es auch Seelen, die uns voraus sind – oft sogar weit voraus. Sie sind nicht besser oder größer, sondern einfach weiter fortgeschritten. Das ist das universelle System der Liebe, in dem wir existieren. Trotz aller Vorgänge, die das Gegenteil zu belegen scheinen, führt alles Geschehen zu einem Wachstum der Bewusstheit, die wiederum zu Gotteserkenntnis und zu einer größeren selbstbestimmten Rolle in der Lenkung der Universen führt.

Es ist ein unglaubliches Universum, das wir sind und in dem wir leben. Wir können es durch das Prisma der Wissenschaft mit ihren Beschränkungen und – allzu oft – ihrer arroganten Blindheit (auch wenn sich das heute schnell ändert) nicht vollständig erfassen. Die inneren und äußeren Universen können wir nur mittels eines umfassenderen Prozesses verstehen. Zu diesem Prozess gehört nicht nur die wissenschaftliche Erforschung der äußeren Welt, sondern auch Meditation und inneres Reisen, um andere Dimensionen von Realität zu ergründen. Der Weg zu höherem Bewusstsein erfordert, dass wir unseren Blick auf das Ziel richten. Er erfordert die Fähigkeit, über die Form hinaus auf die Einheit aller Dinge zu schauen. Mit der Zeit lernen wir, dass wir Meister ebenso wie Lehrer hinter uns lassen müssen. Wir lernen, dass Licht und Ton (die in Eckankar und anderen religiösen Systemen ein so große Rolle spielen) gegenüber der Realität des EINEN nur ein kleines Feuerwerk sind.

Wir alle sind fähig, diese Realität zu sehen und zu erleben; wir müssen aber über die Beschränkungen durch verinnerlichte Konstrukte, die als der Weg zu Gott missdeutet werden, hinausschreiten. Kosmogonie und Kosmologie der inneren Welten, wie sie von verschiedenen spirituellen Pfaden vorgetragen werden, haben durchaus eine Art objektiver Realität. Sie existieren im gleichen Maße, wie die „objektive Realität“ der physischen Welt existiert. Doch in den inneren Welten haben wir mittels unserer Gedankenformen und Glaubensvorstellungen die Fähigkeit, eine momentane Realitätsillusion zu erschaffen. Das ist der Grund dafür, dass die Mythen und Versprechungen jeder Religion von ihren Anhängern tatsächlich erfahren werden, sobald sie sich in deren innere Regionen hineinbewegen.

Solche Erfahrungen treten entweder beim als Tod bekannten Übergang ein oder durch innere Erkundung in Traum, Seelenreise, Astralreise oder Bewusstseinsverschiebung. Es existieren also Konstrukte der inneren Welten, und sie werden von unserer Vorstellungskraft (und darüber hinaus von der Vorstellungskraft anderer) geschaffen. In die Reichweite unseres Erlebens gelangen sie jedoch durch unsere Glaubensvorstellungen, Überzeugungen und Erwartungen. Wir können diese Konstrukte ändern und somit unserer inneren Reise eine andere Richtung geben, indem wir unsere Überzeugungen ändern und unsere Bewusstheit ausdehnen. So gelangen wir auf einen ganz anderen Pfad innerer Erfahrung und Erkenntnis.

Eigentlich ist es nicht richtig, von einer inneren Reise, einem inneren Ziel oder einer inneren Geographie zu sprechen, denn wir sind schon dort – das heißt, hier. Die von uns erfahrenen äußeren und inneren Realitätsillusionen sind nur Kulissen, aufgestellt von kreativen Seelen, die uns vorausgegangen sind, oder von uns selbst. Diese Realitätsillusionen sind nicht zwangsläufiger, absoluter oder endgültiger als unsere Fähigkeit, uns etwas anderes vorzustellen. Wie wir noch sehen werden, ist es gar nicht so schwer, wie es scheinen mag, uns über diese inneren und äußeren Konstrukte hinweg zu höherer und dauerhafterer Bewusstheit von uns selbst als Gottseele aufzuschwingen.

Der Weg zu höherem Bewusstsein erfordert eine sorgfältige Balance zwischen Frage, Analyse, Zweifel, Intuition, Glaube, innerer Bewusstheit und Gewissheit. Letzten Endes wird jegliche Falschheit bereinigt. Die Wahrheit tritt mit einer ihr eigenen Kraft hervor, die auch der kritischsten Analyse standhält. Diese Wahrheit bricht durch die Vielfalt an Formen, die sich als Religion, Philosophie und auch als Gesellschaft selbst verkleiden, hindurch. Was bleibt, ist der Kern aller Dinge, die einzige Realität, die wirklich existiert. Diese Realität ist Bewusstheit und reines Sein – die Eigenschaften der Gottseele, deren wahre Heimat ohne Form und ohne Raum ist. Zu gegebener Zeit werden wir das Geheimnis aller Geheimnisse kennenlernen: dass wir ein Ausdruck des ALL-SEIENDEN sind.

Dieses Kapitel bildet die Basis für das Verständnis dieser Schlussfolgerung. Wenn wir sie mit dem inneren Weg verbinden, werden wir Wahrheit als solche verstehen lernen und als Gewissheit in uns tragen. Der Weg zu höherem Bewusstsein, ja ins Herz der Wahrheit, führt durch ein Tor, das durch ein gewisses Beherrschen unmittelbarer Wahrnehmung geöffnet wird – durch Traumreise, Meditation, Kontemplation, Bewusstseinsverschiebung oder wie auch immer wir die Erfahrung, physische und andere niedrigere Aspekte von Bewusstsein zu übersteigen, nennen wollen. Dies alles führt zur Stille – zum Einssein, das die Realität des Hier und Jetzt ist – zu dem Geschenk, das wir schon haben, auch wenn wir es erst allmählich begreifen. Diesem Endziel wird jeder von sowie die gesamte Menschheit durch spirituelles Unbefriedigtsein entgegengetrieben; dieses Streben ist ja überhaupt der Grund für unsere Existenz. Es ist die Reise, die uns überall hinführt, bis wir schließlich erkennen, dass wir bereits da sind. Es ist die Reise zu höherem Bewusstsein, die Reise ins Herz der Wahrheit.

Das Gesetz der Einheit

Es gibt spirituelle Gesetze, die bestimmen, wie die inneren und äußeren Universen „funktionieren“ und in welcher Beziehung wir zu ihnen stehen. Viele dieser Gesetze wurden von der physikalischen Wissenschaft bereits insoweit entdeckt, als sich diese Gesetze in ihren physikalischen Eigenschaften erkennen lassen. Viele andere spüren wir intuitiv in unserer Lebenserfahrung auf. Ansonsten bleiben sie jedoch verborgen und sind schwer fassbar; verstehen können wir sie erst, wenn wir das irdische Bewusstsein übersteigen. Zusammen bilden diese Gesetze die Grundlage für das Wirken aller Dinge und für das Verständnis aller natürlichen und spirituellen Erscheinungen. Das übergreifende Gesetz, aus dem sich alle anderen Gesetze herleiten, ist das Gesetz der Einheit, bzw. das Gesetz des EINEN.

Das Gesetz der Einheit drückt die Vorstellung aus, dass das Universum von einer bewussten, intelligenten Kraft geschaffen wurde – das EINE, aus dem die gesamte Schöpfung hervorgegangen ist. Das Ziel dieses EINEN, so gut ES sich beschreiben lässt, besteht darin, Expansion zu erreichen, und zwar durch die Expansion der Bewusstheit aller empfindungsfähigen Wesen. Um dieses Gesetz besser zu verstehen, muss man mehr über die Natur des ALL-SEIENDEN wissen und darüber, wie unser Leben widerspiegelt, was ES ist.

Die Illusion des Lebens

Es wird oft gesagt, dass das Leben eine Illusion sei, die von individuellen und kollektiven Annahmen und Konventionen der Zivilisation geschaffen wird. Für die meisten von uns ist diese Illusion jedoch viel zu real, um als solche erkannt zu werden. Wir sind vollauf damit beschäftigt, einfach zu überleben und hoffentlich auch zu prosperieren. Die Illusion des Alltagslebens wird unsere Realität. Daher wollen wir sie „Realitätsillusion“ nennen. Jede Erfahrung in unserem Leben ist dazu bestimmt, unsere Einsicht in unser eigentliches Wesen zu erweitern und die Schichten der Realitätsillusions abzutragen, damit wir sie als das sehen können, was sie ist. Traumbildung (ein Aspekt des Vorstellungsvermögens) sowie das Annehmen und Spielen von Rollen im Leben sind Beispiele für die unzähligen Ebenen von Illusion, die wir geschaffen haben.

In einem bekannten Beispiel dafür, wie schnell wir eine Illusion als Realität akzeptieren, wurde eine Gruppe junger Männer angeworben und an einen Ort in der psychologischen Fakultät der Stanford University gebracht. Dieser Ort war als Gefängnis ausstaffiert. Keiner der jungen Männer war wegen einer kriminellen Handlung verurteilt; jeder hatte sich lediglich bereit erklärt, an einem Experiment teilzunehmen. Sie waren „Häftlinge“ in einer illusorischen Welt, in der sie von einer anderen Freiwilligengruppe bewacht wurden, die als „Wärter“ fungierten. Alle Personen waren Stanford-Studenten.

Die Häftlinge wurden mit einem Sprühmittel entlaust, mussten sich ausziehen, wurden einer Leibesvisitation unterzogen und erhielten Fußklammern. Die Wärter wurden autorisiert, die Gefängnisregeln selbst zu bestimmen. Das Experiment lief rund um die Uhr, allerding konnte jeder Teilnehmer jederzeit aus dem Experiment aussteigen. Mit wenig mehr als diesen Grundregeln begannen die Wärter bald damit, die Häftlinge zu schikanieren in dem offenkundigen Bestreben, deren Willen zu brechen. Beide Gruppen schlüpften so vollständig in ihre jeweilige Rolle, dass die Experimentatoren fürchteten, es könnte wirklich gefährlich werden. Das Experiment musste nach wenigen Tagen abgebrochen werden. Die Psychologen kamen zu dem Schluss, dass „die Umstände individuelle Persönlichkeiten entstellen können – und jeder wie ein Ungeheuer handeln kann, wenn er vollständige Kontrolle über andere erhält“. Der zweite Teil dieser Aussage geht vielleicht etwas zu weit, doch zeigt das Experiment, in welchem Maße Illusion zur Realität werden kann und wie unsere Handlungen, Worte und Gedanken von einer Illusion beeinflusst werden können.

Auf dieses Phänomen stoßen wir jeden Tag, wenn wir Nachrichten hören und davon emotional vereinnahmt werden. Wir sehen es, wenn wir uns mit einer Figur in einem Film identifizieren und fühlen, was sie fühlt. Die Rollen, die wir im Leben spielen (Mutter, Vater, Pfarrer, Rechtsanwalt) und unsere gesellschaftlichen Gruppen (Rasse, Geschlecht, sexuelle Neigung, Körpergröße, Gewicht, Religion, Nationalität) sind Beispiele für verschiedene Ebenen von Realitätsillusion, in die wir uns im Laufe des Tages hinein- und herausbewegen.

Weitere Beispiele für die Macht der Realitätsillusion sind im Wettstreit um den Sieg, insbesondere im Mannschaftssport, zu sehen. Unsere Spiele stellen den Einzelnen in einen illusorischen Rahmen, in dem die Teilnehmer nicht selten bereit sind, ihren Körper aufs Spiel zu setzen, um ein Ergebnis zu erzielen, das durch eine Illusion als erstrebenswert dargestellt wird. Ist der Preis jedoch gewonnen, kann der Sieger oft nicht erklären, was das Ganze eigentlich soll. Er muss dann eine Bedeutung hervorzaubern, denn das Erlebnis selbst gibt keine her. Nur nach einiger Überlegung kann die Person Wachstum an innerer Stärke und an Bewusstheit als eigentlichen Sinn der Realitätsillusion erkennen.

Betrachten wir das Leben auf diese Weise, so erkennen wir die Ähnlichkeit mit unseren Traumerlebnissen, nur dass die Szenerie hier schneller wechselt und die Übergänge nicht so gleitend und vorhersehbar sind. Es ist seit langem bekannt, dass den Träumen ein verborgener Sinn innewohnt, der nicht unbedingt mit der Szenerie oder den darin auftretenden Personen in Beziehung steht, außer in symbolischer Weise. Dies sind nur einige von vielen Anhaltspunkten, die uns täglich begegnen und auf die illusorische Natur der Realität hindeuten.

Wir lernen und wachsen nur, wenn wir uns in etwas vertiefen und darauf reagieren, als ob es Realität sei. Wenn wir uns einen Film anschauen und vor allem auf Kameraführung, Schauspielkunst, Szenerie, Drehbuch und andere technische Aspekte achten, dann fällt es nicht schwer, ihn als geschaffene Illusion zu sehen. Aus dieser Perspektive werden wir von den Problemen der Akteure nur wenig berührt. Wir stehen über der Illusion. Wir denken uns vielleicht noch pfiffigere Wege aus, die Variablen des Schauspiels zu manipulieren. Wir könnten dann noch überzeugendere Illusionen mit noch größerem Effekt erfinden. Versenken wir uns andererseits in das Schauspiel und empfinden und fühlen wir die Erlebnisse der Akteure, dann können wir die Lektionen lernen, die diese in der Filmhandlung lernen oder lernen könnten. In gleicher Weise hängen die Lektionen, die wir in der Realitätsillusion lernen, davon ab, in welchem Maße wir in die Illusion einsteigen und an ihr teilnehmen.

Zunächst sind wir ganz die Wirkung von allem Leben, denn wir können nicht sehen, dass wir in einer Illusion stecken. Es ist daher weniger wahrscheinlich, dass wir die Lektionen überhaupt wahrnehmen, die wir lernen müssen, um zur nächsten Stufe in unserer emotionellen, intellektuellen und spirituellen Entwicklung weiterschreiten zu können. Mit der Zeit lernen wir, die Illusion als solche zu erkennen und uns von ihr bereits abzulösen, auch während wir die Illusion noch durchleben und uns ihr stellen. Das Leben von einem höheren Bewusstsein aus zu durchschreiten, mildert den emotionalen Schmerz in den Illusionen des Lebens, jedoch ohne unsere Reaktion soweit abzustumpfen, dass wir unbeteiligte Beobachter werden. Wir lernen einfach auf zwei oder mehr Ebenen von Bewusstheit gleichzeitig.

Illusion: Wissenschaftliche Perspektive

Eine wissenschaftliche Perspektive der Realitätsillusion des Lebens kann helfen, um den Prozess der Schöpfung und die Wege des ALL-SEIENDEN zu verstehen. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse werfen Licht auf dieses Phänomen, wenigstens insoweit, als es sich auf physikalischem Gebiet manifestiert. 1982 führte eine Forschergruppe der Pariser Universität unter der Leitung des Physikers Alain Aspect eine Reihe von Experimenten durch, die für das Universum ein holographisches Weltbild bzw. Paradigma nahelegten. Später baute Aspect die Folgerungen aus diesen Erkenntnissen zu einer noch eingehenderen Kosmologie aus. Um die erstaunlichen Implikationen dieser Forschungen besser zu verstehen und um zu erkennen, in welcher Weise sie die Vorstellung einer illusorischen Realität stützen, ist es nützlich, auf frühere Forschungen zurückzugreifen.

Die Fernsehserie Star Trek und der Film Star Wars haben Hologramme populär gemacht. Ein holographisches Bild ist eine dreidimensionale Darstellung eines realen Objekts, die alle seine Perspektiven sichtbar macht, jedoch keine materielle Substanz hat. Der derzeitige Stand der Holographie entspricht nicht einmal andeutungsweise dem „Holodeck“ im Raumschiff Enterprise. Aber sie ist weit genug vorangeschritten, um unser Verständnis der Realitätsillusion über den Stand hinauszubringen, den es vor nicht allzu langer Zeit noch hatte. Ein Wissenschaftler beschrieb das Potential des holographischen Weltbilds wie folgt:

Es gibt Hinweise darauf, dass auch unsere Welt und alles, was darin ist – von Schneeflocken über Ahornbäumen bis zu Sternschnuppen und sich drehenden Atomen – nur geisterhafte Abbildungen sind, Projektionen aus einer Realitätsebene, die sich so weit außerhalb unserer eigenen befindet, dass sie buchstäblich jenseits von Raum und Zeit liegt.

Zu den Befürwortern dieser Ansicht gehören der angesehene Quantenphysiker David Bohm (ein Protegé von Albert Einstein) und Karl Pribram, ein Neurophysiologe an der Stanford University und Autor von Languages of the Brain.

Schauen wir uns dieses Phänomen genauer an. Holographie ist ein Verfahren, mit dem sich ein dreidimensionales Bilds eines Gegenstands oder einer Person auf einem fotografischen oder anderen lichtempfindlichen Material speichern und darstellen lässt. Die Platte, auf der das Bild abgelichtet ist, ist ein Hologramm. Lässt man ein Laserlicht durch diese Platte fallen, wird ein holographisches Bild erzeugt. Eine solche dreidimensionale Darstellung eines realen Objekts ist der Schlüssel zu einer tieferen Wahrheit. Könnte diese offensichtliche Illusion nicht ein Prinzip veranschaulichen, das wichtige Parallelen für das Verständnis der eigentlichen Natur des Kosmos aufweist? Diese Frage faszinierte Pribram, denn er erkannte, dass die holographische Deutung sich besser als andere Theorien eignete, unser Gedächtnis zu erklären. Seine Beobachtungen deuteten darauf hin, dass Gedächtnisinhalte übers ganze Gehirn verteilt sind, statt an ganz bestimmten Stellen, wie frühere Forschungen es nahegelegt hatten. Zu dieser Schlussfolgerung kam er durch die Beobachtung, dass Versuchspersonen sich an bestimmte Gedächtnisinhalte erinnern konnten, obwohl der Teil des Gehirns, in dem man diesen Gedächtnisinhalt lokalisiert glaubte, nicht stimuliert worden war.

Ähnlich stellte Bohm fest, dass das holographische Weltbild oder Paradigma quantenphysikalische Phänomene erklärte, die bisher rätselhaft waren. Während Dennis Gabor (Träger des Nobelpreises in Physik 1971) als Entdecker der Holographie anerkannt wird, wird Pribram und Bohm der Ausbau dieser Entdeckung zu einem Weltbild zugeschrieben, das viele zuvor unerklärliche Erscheinungen erklärt. Diese Theorie konnte nicht nur natürliche Erscheinungen erklären, sondern auch paranormale Phänomene wie Präkognition, Träume, Telepathie usw. – Gebiete, denen die Wissenschaft lieber aus dem Weg geht. Alsbald wurde das holographische Weltbild auch herangezogen, um Nahtoderlebnisse, die Funktionsweise des Gehirns, die Traumwelt und die Synchronizität (ungewöhnliches Zusammentreffen von Ereignissen, die mehr als Zufall sind) zu erklären.

Alain Aspect und seine Gruppe entdeckten, dass subatomare Teilchen augenblicklich miteinander zu kommunizieren scheinen, unabhängig davon, ob der Abstand zwischen ihnen drei Meter oder dreißig Milliarden Kilometer beträgt. Aspects Forschungsergebnisse hat Implikationen, die den meisten Naturwissenschaftlern nicht akzeptabel erscheinen. Bohm hingegen ging noch viel weiter als seine Kollegen und trug die Interpretation vor, dass es keine objektive Realität gebe, dass das Universum trotz seiner offenbaren Solidität ein Phantasma sei, ein gigantisches und großartig detailliertes Hologramm. Mit anderen Worten: Die physische Welt ist eine Illusion, deren eigentliche Natur wir kaum ansatzweise verstehen.

Das Universum als gigantisches Hologramm zu beschreiben, ist eine hilfreiche, wenn auch unvollständige Brücke dazu, das übergeordnete Wunder von Schöpfung und Leben als etwas zu sehen, das vom ALL-SEIENDEN, vom EINEN, von GOTT umschlossen ist. Seit langem ist es eine Lehre des höheren Bewusstseins, dass jeder von uns eine Widerspiegelung, ein Abbild dessen ist, aus dem wir herkommen. Die Eigenschaften des Hologramms veranschaulichen dies bis zu einem gewissen Grade. Wenn eine holographische Platte, die das Bild eines Apfels enthält, mit einem Laserstrahl angeleuchtet wird, dann erscheint das Objekt als perfektes dreidimensionales Abbild des Originals. Wenn wir die Platte mit dem Bild des Apfels in zwei Teile schneiden und das Licht separat auf jede Hälfte fallen lassen würden, dann sollten wir wir wohl erwarten, jeweils nur ein halbes Bild zu sehen. Aber so ist es nicht! Auch wenn das Licht nur auf eine Hälfte des Hologramms geworfen wird, sehen wir ein dreidimensionales Bild des ganzen Apfels. Das Abbild ist kleiner (die Platte ist nur halb so groß), aber es ist in allen Details ebenso vollständig wie das ursprüngliche Bild. Und was wäre, wenn wir die Platte in vier, acht, sechzehn usw. Teile schneiden würden? Wenn wir den Laser auf eine kleinere Stückelung des Hologramms projizieren, sehen wir immer das Bild des ganzen Apfels, wenn auch proportional kleiner.

Das Hologramm ist mehr als nur eine Metapher für unser Verhältnis zu dem EINEN und als Widerspiegelung des EINEN. Hier liegen tiefgründige Implikationen. Es veranschaulicht, dass alles ein Teil des Ganzen ist, auch wenn es als parzellierter Teil erscheint. Bohm, wie auch andere, machte sich diese erweiterte Auffassung des Ganzen zu eigen, denn sie bietet einen hilfreichen Weg, das Universum und unser Verhältnis zu demselben zu sehen und zu verstehen.

In seiner Allgemeinen Relativitätstheorie erstaunte Einstein die Welt mit der Aussage, dass Zeit und Raum nicht voneinander getrennt, sondern eng miteinander verwoben und Teile eines größeren Ganzen sind, das er das „Raum-Zeit-Kontinuum“ nannte. Bohm führt diese Anschauung einen großen Schritt weiter. Er sagt, dass alles im Universum Teil eines Kontinuums sei. Trotz der augenscheinlichen Getrenntheit der Dinge sei alles eine übergangslose Fortsetzung von allem anderen, und letztlich gingen auch implizite und explizite Ordnungen ineinander über.

Die Wissenschaft hat uns auch andere Beispiele für dieses faszinierende Phänomen nahegebracht. So enthält jede einzelne Zelle unseres Körper eine vollständige Aufzeichnung dessen, was wir sind (unsere genetische Geschichte) und spiegelt so das Ganze wider, von dem sie ein Teil ist. Das ist auch die Grundlage für das Klonen. Im Prinzip lässt sich aus jeder Zelle ein praktisch identisches Exemplars replizieren, ähnlich wie jedes Fragment eines Hologramms ein Abbild des Ganzen zeigen kann. In vergleichbarer Weise sind wir nicht nur ein Teil des ALL-SEIENDEN, wir sind auch ein infinitesimal kleines Replikat DAVON. Und so, wie die Zelle ein voll ausgewachsenes Wesen von gleicher Größe und Fähigkeit hervorbringen kann, so sind auch wir imstande, zu wachsen und das zu werden, wovon wir herkommen. Diese Vorstellung mag zunächst als Blasphemie oder uns unvorstellbar erscheinen, aber sie ist stimmig mit dem spirituellen Gesetz expandierenden Bewusstseins und dem Gesetz des EINEN.

Wie wir das ALL-SEIENDE widerspiegeln, wird nur durch unsere Akzeptanz begrenzt, tiefer die Natur und Wege des ALL-SEIENDEN zu verstehen, sich ihrer bewusst zu werden und sie zu akzeptieren. Alle Religionen setzen der Erweiterung der Bewussheit Grenzen, indem sie statische spirituelle Paradigmen verfechten. Es ist, als ob sie sagen würden: „Was wir heute über GOTT wissen, ist alles, was sich über IHN/SIE/ES wissen lässt. Wir haben die Antwort und damit punktum!“

Das Erweitern oder Wechseln von Paradigmen

Das Neue deutsche Bedeutungswörterbuch definiert „Paradigma“ so:

a) etwas, das als Beispiel, Muster, Vorbild oder Modell für eine Denk- oder Vorgehensweise dient;
b) Modus Operandi (Art und Weise, wie man an eine bestimmte Aufgabe herangeht und sie bewältigt).
Webster's bietet folgende Definition (übersetzt aus dem Englischen):
Vorbild, Muster; insbesondere: ein klares oder typisches Vorbild oder ein Archetyp ... ein philosophischer oder theoretischer Rahmen einer wissenschaftlichen Richtung oder Disziplin, innerhalb dessen Theorien, Gesetze und Verallgemeinerungen sowie die sie belegenden Experimente formuliert werden.

Mit anderen Worten: Ein Paradigma ist eine bestimmte Art und Weise, Dinge zu betrachten. Es stellt eine Kombination aus unseren Annahmen, Vorstellungen und akzeptierten Fakten über ein gegebenes Thema dar, das unser Denken und unsere Entscheidungen beeinflusst. Unsere Ideen über Partnersuche, Haushaltsführung und Gott sind Beispiele für Paradigmen. In diesem ganzen Abschnitt werden wir uns auf diesen Begriff beziehen, um besser zu verstehen, wie unsere Denkmuster und Archetypen die Ansichten über uns selbst und das Universum, in dem wir leben, beeinflussen.

Die Lektionen über den Geist (engl. Spirit) und das ALL-SEIENDE gelten für alle Dimensionen der Realität. Wenn wir sie lernen, lernen wir auch, wie das Universum selbst funktioniert. Weit davon entfernt, ein rein physikalisches, in wissenschaftlichen Begriffen verstehbares Phänomen zu sein, sind Schöpfung und Funktionsweise des Universums zuallererst ein innerer, „spiritueller“ Prozess. In diesem Prozess wirken dieselben Mechasmen, die wir in dieser physischen Schule zu lernen haben. Ich verwende das Wort „spirituell“, weil es eigentlich keinen „wissenschaftlichen“ oder „spirituellen“ Prozess als solchen gibt, denn sie sind in Wirklichkeit dasselbe. Dennoch verwende ich beide Bezeichnungen, um den durch bestimmte Untersuchungsverfahren gekennzeichneten Teil unseres Wissens vom anderen Teil zu trennen. Tatsächlich haben wir hier ein Kontinuum vor uns, wobei sich die Grenze zu dem, was spirituell ist, mit dem Voranschreiten wissenschaftlicher Entdeckung ständig verschiebt. Einst waren wir auf spirituelle Mythen, fragwürdige Lehren, Dogmen und Ehrfurcht angewiesen, um die Barriere zu durchbrechen und etwas zu akzeptieren oder zu glauben. Als die Wissenschaft rationalere Erklärungen vorlegte, konnten wir alte Lehren und Dogmen ablegen und das akzeptieren, was wir nun als feststehende Tatsache erkannt hatten. Noch hat die Naturwissenschaft die Lücke zwischen Leben und Tod, Realität und Träumen, Imagination und Manifestation nicht geschlossen. Deshalb betrachten wir diese Bereiche als „spirituell“ in Unterscheidung zu „wissenschaftlich“ und suchen Anleitung und Erklärung im Spirituellen.

Wenn wir einsehen, dass beide Bereiche untrennbar zusammengehören, also einen fließenden Übergang bilden, erkennen wir auch, wie irrig und sinnlos es ist, sich an die festen Parameter eines religiösen Dogmatismus zu klammern. Mit dem Begriff „spirituell“ hat man das Problem, dass er von Ehrfurcht und „heiligem Schauer“ umgeben ist, die rationaler Erforschung im Wege stehen. Dieser Begriff impliziert, dass blindes Vertrauen, hingebungsvolle Annahme und Preisgabe des Kritikvermögens Voraussetzungen seien. Wie aber schon erwähnt, sind Naturwissenschaft und Spiritualität lediglich verschiedene Wege, die Gesamtheit des Wissbaren zu beschreiben. Beide beantworten auf ihre eigene Weise, wer wir sind, warum wir hier sind, und was wir zu tun haben.

Spirituelle Forschung sollte daher als eine Form naturwissenschaftlicher Forschung behandelt werden. So entkommen wir dem Verhaftetsein an Lehrmeinungen und Dogmen, die sich als Wahrheit ausgeben. Spirituelle Forschung erfordert als Weiterführung naturwissenschaftlicher Forschung (und umgekehrt) neue, andersartige Annahmen und Verfahren zur Ausdehnung des Spektrums an gewusster Wahrheit. Science-Fiction-Autoren greifen gerne wissenschaftliche Paradigmen auf und extrapolieren sie oft mit phantasievoller Einbildungskraft in einer Weise, die das Große Paradigma unserer Existenz – ICH BIN, GOTT IST, WIR SIND EINS – verzerrt.

Horrorfilme, Berichte über Rätselhaftes und dergleichen flößen uns Furcht vor allem ein, was außerhalb der Normalität liegt. Sie behindern unser Wachstum, denn Furcht behindert Wachstum. Doch das Universum ist, oder wird, was immer wir denken, dass es sei. Es steckt also durchaus Wahrheit in dem, was diese Autoren imaginieren – aber nur, weil sie diesen Vorstellungsbildern erlauben, in inneres und äußeres Dasein zu gelangen. Science-Fiction-Autoren haben unsere Vorstellung von dem, was möglich ist, in positiver Weise erweitert. Aber sie haben auch emotionelle Narben und Paradigmenverzerrungen hinterlassen. Neben „Sci-Fi“ ist es jetzt vielleicht auch an der Zeit für ein neues Genre „Science-Spiritual“ oder „Sci-Spi“. Hier würden die Autoren das, was wir naturwissenschaftlich über das Universum wissen, mit dem verbinden, was uns über Spiritualität bekannt ist.

Naturwissenschaftliche Forschung verlangt, dass Experimente zu einer Theorie vorhersagbar und wiederholbar sind. Die wissenschaftliche Forschung im spirituellen Bereich muss ihre Grundregeln so anpassen und ausrichten, dass der Sprung in andere Teile des Existenzkontinuums möglich wird. Sie muss den subjektiven Charakter der Existenz in anderen Dimensionen, der vorhersagbare und wiederholbare Experimente schwierig macht, in den Griff bekommen. Und tatsächlich ringt um ebendies die heutige Wissenschaft angesichts der unvorhersagbaren und ungewissen Natur der Quantenphysik. Die Wissenschaft muss ihr Paradigma verändern, um transzendente Prozesse wie Glauben und Denken als kreative Wirkkräfte einbeziehen zu können. Das würde die Erwartung vorhersag- und wiederholbarer Ergebnisse – Hauptproblem moderner wissenschaftlicher Erforschung des spirituell-übersinnlich Unbekannten – senken. Der Wandel in der Herangehensweise, der zu dieser Art von Untersuchung führt, bahnt sich bereits in der Theorie des holographischen Weltbilds und in der quantenphysikalischen Forschung an – Bereiche, in denen die Verbindung zwischen Denken und äußeren Ergebnissen deutlicher sichtbar wird.

Die wissenschaftliche Methode fordert gewiss Unvoreingenommenheit und die Bereitschaft, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Aber sie arbeitet auch selbst im Rahmen eines von Überzeugungen getragenen Paradigmas, das die Grenzen dessen bestimmt, was als Forschungsgegenstand für geeignet gilt. So liefert die Arbeit von Dr. Ian Stevenson (University of Virginia School of Medicine) eindrucksvolle Belege für Reinkarnation, jedenfalls genug, um weitere wissenschaftliche Untersuchungen zu rechtfertigen. Doch stieß sie in akademischen Fachkreisen weitgehend auf Gleichgültigkeit, wenn nicht Hohn. Auf ähnliche Geringschätzung stieß die Untersuchung von Entführungsphänomenen und Belegen für die genetische Manipulation unserer Spezies. Die letztere Forschung förderte bemerkenswerte Belege dafür zu Tage, dass fortgeschrittene Wesen für die Ausbreitung von Wissenschaft und Kultur gesorgt haben, was zum erstaunlichen Fortschritt des Homo sapiens in unerklärlich kurzer Zeit geführt haben soll. Aber solche Forschungen gelten als des wissenschaftlichen Etiketts unwürdig. Würden diese Belege ernsthaft in Betracht gezogen, so könnte dies zu einer Änderung des vertrauten Evolutions- oder entstehungsgeschichtlichen Paradigmas zwingen, das heute die Grenzen wissenschaftlicher Erforschung der Natur unserer Existenz absteckt.

Immerhin ist seit neuerem in der Gründung der „Society for Scientific Exploration“ durch naturwissenschaftliche Professoren von größeren amerikanischen Universitäten eine vielversprechende Entwicklung zu sehen. Diese Wissenschaftler wollen das Studium anomaler Erscheinungen fördern, das von der wissenschaftlichen Welt traditionell gemieden wird. Sie publizieren die von Fachkollegen begutachtete Zeitschrift Journal of Scientific Exploration, die über verschiedene eigenartige Phänomene berichtet.

Zu gegebener Zeit – und ich glaube, eher früher als später – werden Religion und Wissenschaft gezwungen sein, alte Paradigmen zu modifizieren, wenn nicht gar aufzugeben, und sich zur Erklärung von Existenz und Weltentstehung weitere, umfassendere zu eigen zu machen. Das ist entscheidend, denn die Paradigmen, die heute die Basis unserer Kultur bilden, eignen sich nicht dazu, die Herausforderungen zu bewältigen, denen die Menschheit bald gegenübersteht.

In den letzten Jahren fand die Vorstellung verschiedener Dimensionen oder Ebenen von Realität auch in der wissenschaftlichen Literatur Zuspruch. Die wissenschaftliche Vorstellung paralleler Universen verkörpert diese Idee und wird heute bezeichnet als „so real, dass wir ausgreifen und sie berühren und sie sogar zur Veränderung unserer Welt verwenden können“. David Deutsch von der Universität Oxford versichert: „Unser Universum ist Teil eines ‚Multiversums‘, einer Gesamtheit paralleler Welten, die die eigentliche Realität darstellt.“ Laut der Zeitschrift New Scientist behauptet Deutsch: „Seit siebzig Jahren verstecken sich die Physiker davor, aber jetzt können sie es nicht mehr.“ Die Bedeutung dieser Entwicklung besteht in der von Deutsch und anderen Physikern geäußerten Ansicht, dass das Schicksal von Universen geformt und genutzt werden könne. Aus wissenschaftlicher Perspektive erklärt die Viele-Welten-Vorstellung das verblüffende Rätsel, warum Atome sich so anders verhalten, als aufgrund der Newtonschen Physik oder der Quantenmechanik – die zu dem wissenschaftlichen Fortschritt unserer Zivilisation geführt haben – zu erwarten wäre.

Die Quantentheorie fordert, dass Atome zu einem bestimmten Zeitpunkt sich an mehr als nur einem Ort befinden können. Das Rätsel besteht nun darin, dass die Atome, aus denen die in unserem täglichen Leben wahrgenommenen und benutzten Dinge bestehen – beispielsweise ein Tisch – nur jeweils an einem einzigen Ort sein können. Begeben wir uns aber auf immer feinere Ebenen der Materie, so verhalten sich die Bestandteile der Materie ganz anders und lassen sich mit konventioneller Quantenphysik nicht erklären. Wie wir schon festgestellt haben, liefert das holographische Paradigma eine gewisse Erklärung dieses Phänomens, die aber doch nicht ganz zufriedenstellt. Das Viele-Welten-Paradigma ist nicht nur konsistent mit den von spirituellen Reisenden vorgebrachten Erkenntnissen über die Existenz innerer Ebenen, es erklärt auch Phänomene, die sich unter der Annahme eines einzigen Universums nicht erklären lassen.

Das Viele-Welten-Paradigma postuliert, dass es keinen Unterschied in der Anwendung der Quantenmechanik auf den Tisch oder das mikroskopische Universum subatomarer Partikel gibt. Wenn das wahr ist, sollten Atome also immer noch zu einem bestimmten Zeitpunkt an mehr als einer Stelle sein können. Das ist aber nicht das, was wir beobachten. Das Viele-Welten-Paradigma legt indessen nahe, dass es in einem anderen Universum diesen Tisch ebenfalls gibt, den die Instrumente unseres Universums aber nicht beobachten können. So beschrieben, enthält die astrale Welt eine parallele Realität von allem, was in der physikalischen Welt existiert, uns selbst eingeschlossen. Diesen Faden logisch weitergespult, gibt es auch Universen und Dimensionen, in denen jede Möglichkeit bereits existiert.

Die Implikationen des Viele-Welten-Paradigmas sind atemberaubend, doch neu sind solche Ideen nicht. Sie sind schon seit Jahrtausenden Themen des Denkens im höheren Bewusstsein, auch wenn die wissenschaftliche Welt beansprucht, sie 1957 entdeckt zu haben. Hier haben wir ein weiteres Beispiel dafür, wie die Trennung dieser beiden Welten – Wissenschaft und Spiritualität – zum Nachteil beider wirkt. Schon die Formulierung dieser Theorie durch die Wissenschaft gibt den für sich selbst sprechenden Wahrnehmungen spiritueller Reisender, die diese Prinzipien seit Äonen kennen und lehren, zusätzliches Gewicht. Auf der anderen Seite täten Wissenschaftler gut daran, die Perspektive spiritueller Lehrer zu erwägen, deren Einsichten in die Existenz immer noch weit über diese immerhin ermutigenden wissenschaftlichen Schritte hinausgehen. Vorurteilsfreies Erwägen eines solchen Zusammenwachsens könnte dazu führen, dass beide Bereiche viel stärker aufeinander Bezug nehmen würden, als dies heute erkennbar ist.

Eine beachtenswerte Ausnahme bildet hier die Arbeit von Professor A. Tiller von der Stanford University, der Pionierarbeit in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen den beiden Welten der Wissenschaft und der Spiritualität leistete. Sein Buch Science and Human Transformation ist eine Glanzleistung in der Anwendung wissenschaftlicher Theorie, um übersinnliche Phänomene – die von den meisten Wissenschaftlern mit schrägen Blick beiseite geschoben werden – zu erklären. Er unternimmt es, so subtile energetische Phänomene wie Fernwahrnehmung (den Astralkörper projizieren und mit ihm sehen), Präkognition, Telepathie, Gedankenlesen, Hellsehen und Hellhören, Psychokinese, Telekinese, Levitation (freies Schweben) und andere Phänomene wissenschaftlich zu erklären.

Da vorhandene religiöse und wissenschaftliche Paradigmen jedoch unzureichend sind, lehnen die meisten Menschen etliches von dem ab, was hier betrachtet wird. Es ist das gleiche Problem, vor dem zivilisationsferne Bewohner des Regenwalds stehen, wenn sie mit den technischen Wundern der modernen Welt konfrontiert werden. Man stelle sich vor, wie eine kleine Gruppe dieser Leute auf unsere Zivilisation stoßen und wie unglaubhaft dann den Dorfältesten ihre Schilderungen vorkämen. Ablehnung und Zweifel sind zu erwarten, weil deren Paradigma das moderne Leben einfach nicht erklären können. Das Volk würde eher den Dorfältesten folgen. So wurden sie erzogen; das ist einfach ihre Art. Auch wenn es verschiedentlich zu Begegnungen mit der Zivilisation käme, würden die Dorfältesten immer noch bestimmen, was geglaubt wird.

Mit unseren miteinander in Konflikt stehenden wissenschaftlichen und religiösen Paradigmen stehen wir in einer ähnlichen Situation. Erschwerend kommt hinzu, dass die religiöse Hierarchie nur widerwillig wissenschaftliche Entdeckungen akzeptiert, etwa die, dass die Erde sich um die Sonne bewegt. Sind die Schranken eines engen Gedankengebäudes aber erst einmal durchbrochen, kann schneller Fortschritt erzielt werden, der mehr bedeutet als weitere Entwicklungen in Handys, Computern, Klonierung und Genetik. Und auch diese Fortschritte werden solange begrenzt bleiben, bis die heutigen, von moralischer Kritik und religiöser Doktrin beengten Paradigmen aus einer Perspektive neu bewertet werden, die einen höheren Bewusstseinszustand widerspiegelt.

Wie wir unsere Realitätsillusion erschaffen

Die Realitätsillusion, in der wir leben, ist wie die Kulissenlandschaft auf der Theaterbühne, wie ein Stück, das wir selbst schreiben und in dem wir mitspielen. Sie ist ein gigantischer Traum oder ein Hologramm, das wir – wissentlich oder unwissentlich – ins Leben projizieren und lebendig machen. Wir sind selbst für Inhalt und Ausgang des Stücks verantwortlich. Was sich in unserem Leben abspielt, wird hervorgerufen durch unser Denken und unsere Überzeugungen, durch die wir als Ursache oder Wirkung fungieren. Fungieren wir als Ursache, so entscheiden und erschaffen wir selbst; fungieren wir als Wirkung, reagieren wir nur und sehen uns als vom Schaffensprozess abgetrennt. Wir glauben dann, wir hätten keine Kontrolle über das Leben, und was auch geschieht, werde von externen Kräften bestimmt. Aber wir sind nicht vom Erschaffer abgetrennt oder etwas anderes als dieser. Wir gebrauchen den gleichen Schöpfungsprozess, der ursprünglich uns die Möglichkeit gab, zu sein.

Der Traum der Schöpfung

Wir haben festgestellt, dass die Welt, die wir als Berge, Planeten, Sonnensysteme, Städte und die Schönheit der Natur sehen, im Kern illusorisch ist, wenn auch in unserer Wahrnehmung sehr real. Das holographische Paradigma ist zwar ein brillanter Fortschritt der Wissenschaft, reicht aber nicht aus, um die feste, interaktive Natur der Realitätsillusion zu erklären, in der wir leben. Zur Beschreibung der wahren Natur der Realität eignen sich die Modelle von Traum und Imagination/Visualisierung besser als alle Folgerungen aus dem holographischen Paradigma oder einem Theorem der Quantenmechanik. Wenn wir die unendlichen Weiten der Träume und die grenzenlosen Gefilde der Imagination betrachten, nähern wir uns der wahren Natur der Schöpfung und der Wege des ALL-SEIENDEN schon besser. Der beste Weg, den Schöpfer zu versteht, besteht im Verstehen der Schöpfung, denn wir spiegeln das ALL-SEIENDE wider. Im 1. Buch Mose (Genesis) heißt es: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, er schuf Mann und Frau“ (Genesis 1:27). Und so ist es auch, außer dass diese Textstelle von der männlichen und weiblichen Körperform spricht anstatt von den eher transzendenten Eigenschaften des EINEN, die formlos sind. Um die transzendenten Eigenschaften – ja tatsächlich die eigentliche Natur – des EINEN zu verstehen, die jenseits aller Form sind, müssen wir nach innen schauen, um uns selbst zu verstehen. Jede(r) von uns spiegelt in allen Einzelheiten die Eigenschaften von Allwissenheit, Allmacht und Allgegenwärtigkeit wider, die das EINE verkörpern. Allerdings haben wir uns noch nicht bis zu einer Bewusstseinsebene entwickelt, auf der wir diese Eigenschaften vollständig verstehen, akzeptieren und manifestieren könnten. In ähnlicher Weise gibt es auch noch viel, das wir über den Zusammenhang zwischen Träumen, inneren Reisen und unserem höheren Selbst nicht verstehen oder akzeptieren – ein Thema, das später noch behandelt wird. Die genannten Fähigkeiten sind entscheidende Anknüpfungspunkte zur Erweiterung unseres Bewusstseins bis zum Umfassenden des ALL-SEIENDEN.

Die Schöpfungsgeschichten in der Bibel und in anderen Religionen und Mythen sind natürlich metaphorisch zu verstehen. Sie entsprechen dem Bewusstsein ihrer Zeit und mussten daher von schlichterer Art sein. Immerhin beschreiben sie einen Vorgang, den die Menschheit auch heute noch als etwas ansieht, das ihre Fähigkeit zum Verstehen, geschweige denn zum Nachmachen, übersteigt. Die Vorstellung fällt uns schwer, dass wir mehr sind, als Zubehör auf einer Bühne, über die wir wenig oder gar keine Kontrolle haben. Dennoch enthüllt uns eine andere Sicht der Schöpfung, die jedoch einen höheren Zustand spirituellen Bewusstseins erfordert, dass wir viel mehr mit dem Prozess der Schöpfung und dem Schöpfer gemein haben, als wir uns vorstellen.

Das Gesetz der Einheit fängt an mit dem EINEN und beschreibt alles als abgeleitet aus dem und innerhalb des EINEN. Der Schöpfungsprozess umfasst Imagination, Visualisierung und intuitive Gewissheit – identisch mit unseren eigenen latenten Fähigkeiten. Wie könnte es auch anders sein, da wir ja, wie ein Hologramm, eine winzige, jedoch vollständige Nachbildung dessen sind, von dem wir stammen? Entsprechend sind unsere Träume in der Lage, jegliche Erfahrung, Idee oder Vorstellung in der gleichen Weise auszudrücken oder zu vertiefen, wie das EINE unsere unabhängige Manifestation ebendieser Schöpfungskräfte erträumte, sich ausmalte und möglich machte. Wenn wir uns etwas ausmalen oder einbilden (imaginieren) und bildlich vorstellen (visualisieren), bedienen wir uns dieses Schöpfungsvermögens. Allerdings können wir unsere Imagination und Visualierung besser steuern als den Inhalt unserer Träume. Träume, Imagination und Visualierung sind Widerspiegelungen des gleichen Prozesses, durch den alles in der äußeren sowie in den inneren Welten geschaffen wird.

Die meisten Menschen bilden sich ein, dass ihr Leben von Kräften und Umständen gesteuert wird, die außerhalb ihrer selbst liegen. Die Wahrheit ist aber, dass alle Manifestationen unseres äußeren Lebens von den Annahmen und Überzeugungen unserer inneren Welt hervorgebracht werden. Meist stecken die Menschen jedoch in einem Teufelskreis, in welchem sie glauben, dass äußere Ereignisse und Umstände ihr Leben bestimmen. Sie akzeptieren die von äußeren Umständen vorgegebenen Prämissen und richten danach ihr Leben aus. So bildet sich ein scheinbar endloser Kreislauf – bis er durch eine machtvollere Überzeugung durchbrochen wird. Feste Überzeugungen wie „es kommen auch noch bessere Tage“ oder „nach dem Regen kommt der Sonnenschein“ können im Denken und dadurch auch im Leben eine abwärtsführende Spirale umkehren. Ähnlich ist die Furcht vor dem Verlust von etwas, das man schon hat, ein Glaube, der einen positiven Elan umkehren kann. In beiden Fällen glaubt der Mensch an Kräfte außerhalb seiner selbst und nicht an die ihm innewohnende Schöpfungskraft. Alles wird gelenkt von unserer Überzeugungsstruktur – es trifft allerdings zu, dass bereits in Gang gesetzte Aktionen noch auslaufen müssen, auch wenn eine neue Ereigniskette schon in Gang gebracht worden ist.

Wir sind hier, um diesen Schöpfungsprozess zu lernen. Er ist ein Mikrokosmos des großen Schöpfungsvorgangs, der alles zur Existenz bringt. Er wirkt jeden Augenblick für jede Gottseele in den multiplen Dimensionen der Realitätsillusion, in der eine Erweiterung des Bewusstseins stattfindet. Wenn wir die Lektion über unsere eigene Schöpfungskraft verstanden haben und wir bewusste, eigenständige Schöpfer werden, können wir als Mitschöpfer im endlos expandierenden Traum des ALL-SEIENDEN mitwirken.

Ebenen in der Schöpfung der Realitätsillusion

Der Traum der Schöpfung schritt durch mehrere Ebenen voran, wobei sich Aspekte des ALL-SEIENDEN durch vorstellendes Träumen auf jeder der Formgestaltungsebenen manifestierten. Diese Ebenen der Realitätsillusion nennen wir auch Plane, Dichtigkeiten oder innere Welten. Es sind Dimensionen bzw. Ebenen des umfassenden Traums des ALL-SEIENDEN. Auf jeder Ebene ist die Schöpfungskraft verkörpert im Bewusstsein von Gottseelen, die einen Teil des Ganzen ausmachen, aber die Fähigkeiten und Eigenschaften des ALL-SEIENDEN widerspiegeln. In diesem ganzen geschaffenen Universum spiegeln Gottseelen die Macht des ALL-SEIENDEN in dem Maße wider, wie sie sich des ALL-SEIENDEN bewusst sind sich DAMIT identifizieren.

Jede Gottseele auf jeder Ebene der Schöpfung ist verantwortlich gegenüber der und für die Gesamtheit der Schöpfung. Jede Gottseele arbeitet mit allem, was sie ist, letztlich auf das Ziel zu, das Bewusstsein des ALL-SEIENDEN auszuweiten. Dies geschieht durch die Erfahrungen derer, die auf einer bestimmten Ebene des TRAUMES leben. So muss es auch sein, denn die einzige Realität ist das ALL-SEIENDE, und alles andere ist erschaffene Manifestation innerhalb der jeweiligen Realitätsillusion. Aber was treibt diesen Traum voran? Was ist dessen Quelle und Zweck?

Einige Denker sprachen von einer göttlichen Agonie, die diese GANZHEIT zu dem Verlangen drängte, sich zum Ausdruck zubringen, sich zu entladen. Das sei der Ausgangspunkt für die gesamte Schöpfung gewesen und erkläre zum Teil, warum es zur Realitätsillusion kam, die unsere tägliche Erfahrung ist. Die verschiedenen Ebenen DES TRAUMS der Schöpfung erleben wir beim Träumen oder während des inneren Reisens. Als Widerspiegelung des ALL-SEIENDEN werden auch wir von dem gleichen Verlangen und den gleichen Erwartungen wie das ALL-SEIENDE bewegt. So wie wir uns zum Handeln genötigt fühlen, um unsere Träume, Wünsche und Erwartungen zu verwirklichen, so ist auch das ALL-SEIENDE getrieben, den inneren Drang in SICH SELBST zum Ausdruck zu bringen.

Diese Motivation habe ich selbst verspürt, und sie manifestierte sich in diesem Buch. Es fing vor vielen Jahren zunächst stockend an und brach nach den Ereignissen Ende 2001 [Anm. d. Üb.: als Ford Johnson die Fakten über Eckankar und ihren Begründer durchleuchtete] zur Verwirklichung durch. Nicht darauf zu reagieren, wäre die Verweigung einer Pflicht gewesen, die nach Ausdruck verlangte. Dieser Pflicht zum Ausdruck zu verhelfen, war Teil eines größeren Plans, der in allen Gottseelen latent vorhanden ist. Es ist das Verlangen des ALL-SEIENDEN, dass alle SEINE Teile Selbstverwirklichung erreichen – das Bewusstsein, dass die Gottseele Teil des Ganzen ist. Dieses Verlangen nach Ausdruck war die motivierende Kraft hinter der schließlichen Freisetzung jener inneren Teile des ES, jener Gottseelen, die nach Ausdruck verlangten. Um SICH zu entladen, musste das ES diese Traumbestandteile – diese nach Freisetzung schreienden Ideen – herauslassen. So schuf ES das Universum mit seinen inneren und äußeren Ebenen.

Aufeinanderfolgende Ebenen der Schöpfung wurden aus jeder vorhergehenden Ebene ausgestrahlt. So entstanden die inneren und äußeren Universen. Jede Ausdrucksform des ALL-SEIENDEN – d.h. jede Gottseele manifestiert ein anderes Bewusstseinsniveau, das einen Mechanismus zur Erweiterung seiner Bewusstheit benötigt. Das ist der alleinige Grund für die Schaffung der Ebenen des inneren Universums, und es bestimmt auch die Rolle aller empfindungsfähigen Wesen. Jede Gottseele ist in DEM TRAUM genau an den Platz gestellt, der für ihr spirituelles Wachstum am besten geeignet ist. Diejenigen die einen höheren Bewusstseinszustand haben, erhalten die Aufgabe, zu dienen und zu lehren mit dem Ziel, dass alle Teile des ES sich ihres Ursprungs bewusst werden können. So schreitet der Vorgang spiritueller Entfaltung für alle Seelen im TRAUM immer weiter fort. Zwar stimmen alle Religionen und spirituellen Wege – und jetzt auch die Wissenschaft – darin überein, dass es innere Welten bzw. parallele Dimensionen gibt, doch keine Einigkeit herrscht in Bezug auf deren Struktur und Zusammensetzung. Bibel und Koran beschreiben den Schöpfungsvorgang und die Struktur der inneren Welten in simplifizierenden Begriffen, indem Sie einfach von einer Trennung zwischen Himmel und Erde sprechen. Der Koran nennt „die Himmel“ in der Mehrzahl, er spricht sogar von „sieben Himmeln“. Bibel und Koran waren aufs Bewusstsein der Menschen ihrer Zeit zugeschnitten und sind daher allegorisch (sinnbildlich) zu verstehen. Sie wollten spirituelle Paradigmen etablieren, mit denen soziale Harmonie gewahrt bleiben und eine Verbindung zu einem höchsten Wesen hergestellt werden konnte.

Doch die in ihnen enthaltenen spirituellen Einsichten sind von statischer Natur und begrenzen daher die Entwicklung des spirituellen Bewusstseins: „Wahrlich, so wurde uns offenbart, und so ist es in Ewigkeit!“ So weit, so gut; aber die spirituelle Entfaltung ist behindert. Von der Kanzel herab wird es zwar selten erwähnt, aber es gibt eine christliche Tradition, die Wege der inneren Forschung lehrt. Ein wichtiger Vertreter dieser Tradition war der von der katholischen Kirche als Heiliger verehrte Johannes vom Kreuz, dessen Praktiken der christlichen Mystik zugeordnet werden. Er glaubte, dass Kontemplation durch Gebet zur mysteriösen Erfahrung der Gegenwart Gottes führen könne. Es ist jedoch so, dass die christliche Mystik dem Suchenden nicht dazu verhilft, die Natur innerer Erfahrungen zu verstehen. Sie gibt ihm keine Kosmologie, keine „Landkarte“ in die Hand, die seine inneren Erfahrungen leiten könnte. Christliche Mystik gibt dem Suchenden ein Gefühl von Liebe und Verbindung, aber gelernt wird wenig. In dieser Hinsicht ist sie der Transzendentalen Meditation ähnlich, die auch kaum mehr bewirkt als ein Gefühl von innerem Frieden. Dabei ist viel mehr möglich.

Die Lehren des Koran sind stark praxisorientiert und wollen die Aufmerksamkeit des Gläubigen auf die Anbetung Gottes und die Unterwerfung unter seinen Willen richten. Aber eine mystische Sekte des Islam, der Sufismus, spricht von der direkten Erfahrung Gottes und der Realität der inneren Welten. Die Sufis geben ungern etwas von den Geheimnissen preis, die sie in ihren inneren Erlebnissen erfahren, doch was wir darüber wissen, zeigt große Tiefe der inneren Realitätsdimensionen im Sufismus. Das lässt sich auch von der jüdischen Kabbala-Tradition sagen. In ihr flossen Astrologie, Mythen, Magie, Zoroastrismus und andere frühe nicht jüdisch-christliche Quellen zusammen. Die aus der Kabbala gewonnenen Erkenntnisse wurden weiterverfolgt – trotz der Warnungen in den jüdischen Schriften:

Lauft nicht hinter den Göttern her, die die Völker rings um euch verehren. Der Herr, euer Gott, verlangt ungeteilte Liebe; wenn ihr ihm nicht treu bleibt, fordert ihr seinen Zorn heraus, und er wird euch ausrotten. (5. Buch Mose, 6:14-15, Die Bibel in heutigem Deutsch

Die Kabbala bietet bemerkenswerte Ausblicke auf die Kosmologie, bzw. die Struktur der inneren Welten. Sie beschreibt eine Reihe von Wurzeln mit vorgegebenen Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung. Der Anhänger der Kabbala strebt tieferes Verständnis der Wirklichkeit Gottes und der Unermesslichkeit seiner Welten an. Dabei herrscht die Vorstellung, dass dieses heilige Wissen nicht für jedermann gedacht sei. Nur bestimmte Menschen – traditionell Männer – können Erleuchtung empfangen. Die Kabbala beschreibt zwei parallele Ordnungen. Die eine wirkt von oben nach unten, die andere von unten nach oben. Zur ersteren gehört der Empfang von Weisheit und Hilfe durch höhere Welten. Sie werden nur dem Erleuchteten zuteil, der den Weisungen dieser Ordnung folgt. Die Bewegung von unten nach oben ähnelt der Erleuchtung in östlichen Religionen, nur dass die „Erfüllung“, die Offenbarung der Göttlichkeit, durch das Befolgen eines exakten, von Regeln bestimmten Pfads erreicht wird.

Eine der Stärken der Kabbala – zugleich aber auch ein begrenzender Aspekt – ist der Gedanke der Erfüllung selbst. Das hebräische Wort dafür – Hasaga – bedeutet mehr als nur Verstehen. Es setzt eine Gewissheit voraus, die unmittelbares Erfahren erfordert, das mit einem Namen oder Wort bestimmt und erklärt werden kann. Und hier liegt auch die Beschränkung, denn es gibt Regionen jenseits Hasaga, die einfach über Wort oder Name hinausgehen. Diese inneren Welten sind oft ohne Form und werden nur über Licht und Klang und innere Gewissheit wahrgenommen, deren Realität höchstens angedeutet, jedoch niemals in Worten ausgedrückt werden kann. Ich habe viele dieser Regionen besucht; sie sind tatsächlich nicht beschreibbar. Ich kann bestenfalls von einem Gefühl der Weite, des Einsseins sprechen. Diese Dinge entziehen sich aber der genaueren Beschreibung durch unser plumpes, beschränktes Vokabular.

Die Kabbala kennt vier innere Welten: Atziluth, Briah, Jetzirah und Asiah. Die erste und höchste dieser Welten ist Atziluth. Die niedrigste ist Asiah, die physische Welt. Alle Welten sind in jedem Detail und Geschehen gleich; sie unterscheiden sich nur im Grad der Feinheit und Substanz der Realität (der Schwingungsebene, wie wir sagen würden). Eine große Leistung der Kabbala ist die Schaffung einer Terminologie zur Erklärung der Natur innerer Erfahrungen. Sicher haben nur wenige andere spirituelle Pfade, die inneres Reisen zwecks spiritueller Erleuchtung verfechten, ein vergleichbares Vokabular entwickelt, wenn überhaupt.

Die kabbalistischen Beschreibungen innerer Ebenen ähneln denen von Shabd Yoga (Yoga des hörbaren Lebensstroms), das von fünf Hauptwelten spricht – von der physischen Ebene bis hin zu Sat Lok, dem Ort der EINEN Gottheit. Es werden zwar andere Bezeichnungen für die verschiedenen Regionen in den inneren Welten gebraucht, doch beschreiben sie wohl den jeweils gleichen Bereich.

Sogar in Eckankar, das – wie wir sahen – den Radhasoami-Lehren entnommen wurde, findet man praktisch die gleichen Ebenen vor. In Eckankar werden sie allerdings mit konventionellerer westlicher Terminologie beschrieben. Wieder handelt es sich bei diesen Ebenen um die physische, astrale, kausale, mentale und Seelenebene. Hinzu kommt noch ein zweites Niveau an Ebenen innerhalb der „höheren Welten“ (von denen einige erstmals von Paul Twitchell genannt und beschrieben wurden). Ähnliche Beschreibungen findet man in anderen Lehren wie etwa der Theosophie, die sich unter anderem aus pythagoräischem Hylozoismus, Sufismus, Buddhismus und Taoismus speist.

Die vielleicht komplexeste Kosmologie der inneren Welten findet sich im Werk von Henry T. Laurency, das auf den später als Hylozoik (geistiger Materialismus) bezeichneten Lehren von Pythagoras aufbaut. Nach dieser Schule wohnt aller Materie Geist oder Bewusstsein inne, wie auch alle inneren und äußeren Welten von geistiger Natur sind. Alle Materie ist lebendig, sei es schon an sich, sei es in Verbindung mit dem EINEN, und sie durchläuft bewusst oder vor-bewusst irgendeine Stufe geistiger Entfaltung. Die Anhänger beanspruchen für diese Lehre, sie sei die logischste und korrekteste Sicht von Schöpfung und Sein. Der Beweis ihrer Korrektheit könne durch Logik, Erklärung, Vorhersage, Hellsehen und Experiment erbracht werden. Die pythagoräische Holozoik bietet in ihrer Vielschichtigkeit eine der umfassendsten – wenn auch kontroversen – Erklärungen für den Ursprung der Welt (Kosmogonie), die je von einem spirituellen Pfad oder einer wissenschaftlichen Theorie zum Ausdruck gebracht wurden.

Die Hylozoik definiert das gesamte Sein als bestehend aus den drei Hauptaspekten Materie, Bewegung und Bewusstsein. Diese sind untereinander abhängig und hängen miteinander zusammen. Das gesamte Sein, sei es materiell, astral (Träume), kausal (Erinnerungen), mental (Gedanken) oder höher, besteht aus dieser Dreiheit. Was wir als formlos und ohne Materie ansehen (beispielsweise einen Traum), besteht aus seiner eigenen Art von Materie zusammen mit Bewegung und Bewusstsein. Es spielt sich auf einer Schwingungsebene ab, die von physikalischen Instrumenten nicht erkannt werden kann. Die hylozoischen Vorstellungen beziehen sich nicht nur auf die Funktionsweisen der Manifestation der Realitätsillusion, sondern – wir wir noch sehen werden – auch auf die Natur der Quelle dieser Manifestation.

Pythagoras nannte die grundlegenden Materieeinheiten „Monaden“. Die Monade ist die kleinste Einheit, die Bewusstsein besitzt oder entwickeln kann. Diese Definition erweitert den Begriff „Bewusstsein“ auf potentielles Bewusstsein, passives Bewusstsein und aktives Bewusstsein. Demnach ist die Realität jeder Ebene „lebendig“ für die Möglichkeit, Bewusstheit soweit auszudehnen, dass es sogar das EINE umfasst.

Das kosmologische Bild der Hylozoik ist gigantisch. Erstens ist der von uns wahrgenommene Kosmos nur ein Kosmos von vielen. Ein Kosmos ist eine Kugel in der Urmaterie. Er ist anfangs von geringer Ausdehnung, wächst jedoch ununterbrochen durch Zufuhr von Uratomen aus dem unerschöpflichen Vorrat der Urmaterie, bis die erforderliche Ausdehnung erreicht ist. Es ist also die Materie, welche „der Raum“ ist.

Und hier weicht das hylozoische Bild des Universums in komplexer und höchst phantasievoller Weise von den am weitesten entwickelten Vorstellungen über Entstehung und Struktur innerer Welten ab, die je von einer Religion, spirituellen Ausrichtung, Yoga oder wissenschaftlichen Theorie vorgebracht wurden. Die Hylozoik spricht von neunundvierzig separaten und genau umschriebenen Welten, gruppiert in einer Abfolge von sieben Serien zu je sieben Welten. Diese Welten nehmen im Kosmos denselben Raum ein. Alle höheren Welten umschließen und durchdringen die niedrigeren Welten – wobei die physische Welt die niedrigste Welt der letzten der sieben Serien ist. Demnach hätten wir also noch weitere achtundvierzig Welten zu durchschreiten, bevor wir das höchste Niveau an spiritueller Bewusstheit erreicht haben. Wenn die hylozoischen Vorstellungen zutreffen, dann werden wir uns also bestimmt noch oft begegnen!

Das Gesetz von Seele und Gottseele

In allen Religionen gibt es die Vorstellung von einer Seele. Diese Vorstellung kennzeichnet den Teil von uns, der den körperlichen Tod überlebt bzw. dem Körper Leben verleiht und daraus einen lebendigen Menschen macht. An dieser Stelle wird es nützlich sein, sich mit ein paar Begriffen zu befassen. Das Wort „Seele“ wird für verschiedene Vorstellungen über das eigentliche Selbst gebraucht. Manche bezeichnen dieses eigentliche Selbst als „Geist“ und verwechseln die beiden Begriffe. Seele und Geist sind ähnlich, aber tatsächlich doch verschieden. Die Seele ist eine individualisierte und bewusste Einheit des Geistes, während Geist die Energie ist, aus der die Seele sich entwickelt und von der sie ihre Kraft erhält. Die Seele kann man sich auch als den „Ich-Faktor“ (das große Ich), das eigentliche Selbst, vorstellen – im Kontrast zum „ich-Faktor“ (das kleine Ich), dem Ego, von dem wir denken, das seien wir.

Die Seele, das „große Ich“, ist eine zu Bewusstsein fähige konzentrierte, individualisierte Manifestation dieser Energie oder Lebenskraft. Das ist in einfachen Worten die Seele; das sind wir. Unsere wahre Gestalt lässt sich korrekter als Lichtkugel, als Kraftfeld wissender und bewusster Energie beschreiben. Obwohl individualisiert, sind wir eingehüllt und umgeben von jener Lebenskraft, die Geist, Chi, Prana und viele weitere Namen hat. Sie erhält unsere Existenz und aktiviert, speist und manifestiert sowohl in der äußeren als auch in der inneren Realität die beim Denken erzeugten Eindrücke und Gedankenbilder. Das Denken wiederum ist eine Manifestation des Bewusstseins, das wir sind.

Dieses Bewusstsein, das unser ganz individuelles Wesen als Seele ausdrückt, finden seinen höchsten Ausdruck als Gewissheit (Allwissenheit), Einssein oder Einheit (Allgegenwart) und als Fähigkeit, willentlich die Macht des Geistes (Allmacht) zu nutzen. Diese Eigenschaften wollen wir als „unbegrenzte Fähigkeiten“ bezeichnen. Jede Seele hat diese Fähigkeiten, doch nur wenige sind in der Lage, sie im Alltagsleben anzuwenden. (Wir werden noch sehen, dass wir uns hier in der physischen Dimension der Realität gerade deshalb befinden, um zu lernen, diese Fähigkeiten im Leben zu verwirklichen.) So gewaltig sind diese Fähigkeiten, dass die Seele in der physischen Welt und in anderen Dimensionen der Realitätsillusion eine rigorose Schulung durchlaufen muss, bevor sie in reinem Zustand existieren und ihre unbegrenzten Fähigkeiten ausüben kann. Um sich für die bewusste Manifestation ihrer selbst vorzubereiten, nimmt die Seele eine äußere Gestalt in Dimensionen der Realität unterhalb der Seelenebene an; das ist dann sozusagen ihre „Operationsbasis“. Auf der Ebene der Seelenwelt kann sie diese unbegrenzten Fähigkeiten ohne Einschränkung anwenden und erleben.

Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir eine Abgrenzung machen müssen, die ich in meinen frühen Studien esoterischer Weisheit nicht verstanden hatte. Die Vorstellung einer Seele, wie sie traditionell gelehrt wird, macht nur einen kleinen Teil jener Ganzheit aus, die wir, spirituell gesehen, sind. Diesen größeren, bedeutenderen Aspekt unseres Wesens habe ich als „Gottseele“ bezeichnet. Dieser Ausdruck ist Ihnen hier schon einige Male begegnet, doch jetzt ist es an der Zeit, etwas näher darauf einzugehen. Ich habe diesen Ausdruck geprägt, um damit ein höheres Selbst zu bezeichnen. Dessen Realität ist uns nicht unbekannt; wir haben täglich damit zu tun. Manche nennen das die „kleine leise Stimme“ oder das Gewissen. Sigmund Freud bezeichnete einen Aspekt davon als das „Über-Ich“. Er lehrte, dass das Über-Ich die Quelle von negativer Lenkung in Form von Verboten, Kritik und Hemmungen sowie von positiver Lenkung in Form von Bestrebungen und Ethik sei. Er maß dem Über-Ich keine sonderliche spirituelle Bedeutung bei, sondern zog es vor, diese Lenkungsrolle schlicht auf die Verinnerlichung elterlicher und gesellschaftlicher Normen zurückzuführen.

Gewiss üben diese Faktoren einen mächtigen Einfluss aus, besonders in den prägenden frühen Jahren, aber sie erklären nicht alles. Unsere Bestrebungen, Antriebe und Vorlieben kommen aus einem tiefen, transzendenten Bereich und nicht einfach von den Eltern oder der Gesellschaft. Und sie erklären auch nicht die Führung, die wir ganz ohne unsere bewussten Gedanken erhalten und die uns im Alltagsleben hilft und in Notlagen leitet. Die meisten von uns werden den Schutz durch unser höheres Selbst in Augenblicken der Bedrängnis schon erlebt haben. Es lenkt uns etwas in unserem Inneren auf eine Weise, die uns oft in Erstaunen versetzt. Dieses Etwas ist an den kleinsten Details unseres Lebens beteiligt: wieviel Salz wir in die Suppe tun oder wieviele Rollen Toilettenpapier wir kaufen. Das ist der höhere Aspekt unseres Wesens. Oft befolgen wir seinen Rat nicht. Manchmal ist diese Stimme so insistierend, dass wir vielleicht zu Alkohol oder Drogen greifen, um sie zu unterdrücken. Wenn wir sie ständig ignorieren, weicht sie zurück und wartet auf einen Augenblick, in dem ein Erlebnis uns zum Zuhören bringt. Solche Erlebnisse weisen auf das Vorhandensein dieses Aspekts in uns hin, und doch werden sie oft missdeutet. Wir neigen dazu, sie einem Erlöser, Meister, Mahanta, Geistwesen, Schutzengel oder sonst etwas zuzuschreiben statt unserem höheren Selbst. Dies liegt daran, dass unser gegenwärtiger Bewusstseinszustand uns glauben lässt, wir seien ganz sicher keine machtvollen Wesen. Wie wir noch sehen werden, ist jedoch die Gottseele der wahre Meister, Lehrer und Hüter.

Die Gottseele leitet unser äußeres Leben sowie gleichzeitig auch das Leben ihrer anderen Teile, die in anderen Dimension der Realität eine Existenz führen. Gemeinsam machen diese Teile die Gesamtheit dessen aus, was wir sind. Dies ist vielleicht nicht ganz einfach zu verstehen, doch die vielen verschiedenartigen Erlebnisse in unseren Träumen sind ein Hinweis darauf, dass sich neben unserem Erleben in der physischen Dimension in unseren inneren Universen noch andere Dinge abspielen. Fast jeder Mensch ist schon einmal aus einem Traum erwacht und war zunächst verdutzt, sich in einem physischen Körper wiederzufinden. Es dauert einen Augenblick oder zwei, bis man wieder in der Körperhülle zu Hause ist. Sobald sich uns die Realität dieser Hülle genügend aufgedrängt hat, sind wir wieder voll im Griff der Realitätsillusion und setzen unser Leben fort, als ob in den Traumwelten nichts geschehen sei. Aber schwache Erinnerungen an den Traum klingen noch nach, wispern uns zu, wer wir wirklich sind, und deuten auf die Rolle, die unser höheres Selbst spielt. Die Seele ist also der Teil der Gottseele, der sich in unserem unmittelbaren Leben ausdrückt, jedoch nicht die Gesamtheit unseres spirituellen Wesens ausmacht. Sie ist aber dennoch wir selbst und nicht ein Fremder in unserer Mitte. (Im ganzen Buch verwende ich die Begriffe Seele und Gottseele gegenseitig austauschbar, denn die Unterscheidung wäre letztlich eher pedantisch als hilfreich.)

Es soll noch ein weiterer Punkt angesprochen werden. Es gibt viele Wesen, die wie wir sind, spirituell jedoch fortgeschrittener, und die als Lehrer, Leiter und Beschützer fungieren. Sie helfen jenen, die sich in die inneren Bereiche wagen. Als ihren Beitrag zum Großen Werk unterstützen sie die Seele in ihrer Entwicklung. Doch der vorrangige Lehrer, der diese Unterstützung selektiert, ist immer das höhere Selbst. Vertrauen in dessen Führung stärkt die Verbindung zwischen unserem inneren höheren Selbst und unserem bewussten äußeren Selbst. Angst und Einsamkeitsgefühl spielen nur in die Hand von Wesen, die darauf aus sind, Menschen, die Verletzlichkeit zeigen, auszubeuten. Solche Menschen kennen ihre Macht nicht und beugen sich allem, was sich ihnen innerlich zeigt. Dies ist auch die Art und Weise, wie orthodoxe Religionen ihren Anhängern einen schlechten Dienst erweisen. Sie liefern ihnen – ähnlich wie mit Kind und Weihnachtsmann – ein schwaches inneres Denkmuster als Vorbereitung für die inneren Erfahrungen, die sie machen sollen. Die Anhänger verstehen nichts von den unterschiedlichen Rollen innerer Wesen und deren oft fragwürdigem spirituellen Niveau. Daher neigen sie dazu, jedem Wesen zu folgen, das womöglich so vor ihnen auftritt, als spräche Gott selbst. Kurz: Wer einer orthodoxen Religion folgt oder dem Nimbus eines Gurus oder Meisters verfallen ist, hat eine Paradigmenerneuerung nötig, um zu verstehen, was in seinen inneren Welten vorgeht.

Unsere tatsächliche Macht als Gottseele ist so gewaltig, dass wir uns ihrer nicht bedienen können, solange wir unser Bewusstsein nicht entsprechend erweitert haben. Wir müssen uns des Aspektes, der unsere physische Hülle belebt (Seele) und weit über deren Tod hinaus fortexistiert, bewusst geworden sein. Mit der Zeit expandiert das Bewusstsein soweit, dass es auch die Gottseele umfasst. In Stufen werden wir uns der Gottseele bewusst, überlassen uns ihr und leben dann durch deren Bewusstsein. Gottseelenbewusstsein ist jenseits dessen, was man sich gewöhnlich als Selbst-Erkenntnis vorstellt. Letzteres umfasst eine Bewusstheit seiner selbst als Seele, nicht jedoch eine Bewusstheit als höheres Selbst. Andere Manifestationen unseres höheren Selbstes existieren in anderen Dimensionen von Raum und Zeit, sind aber in die Ganzheit integriert und tragen zur Erweiterung dieses größeren Teils von uns bei. Das höhere Selbst kann manchmal als von uns getrennt und größer als wir erscheinen. Kommunikation mit unserem höheren Selbst wird daher oft als „Gespräch mit Gott“ fehlgedeutet, was aber nur insofern korrekt ist, als wir immerhin ein Funke des ALL-SEIENDEN sind. Entsprechend wird dieses Niveau inneren Bewusstseins gelegentlich auch als Gotteserkenntnis missdeutet.

Die Natur des ALL-SEIENDEN

Das Wachstum der Bewusstheit der Seele erweitert auch die Bewusstheit des ALL-SEIENDEN, denn ES ist ein Kollektiv erleuchteter Gottseelen, die als EIN Zustand von Bewusstsein fungieren. Sind Gottseelen erst einmal bis auf diese Bewusstseinsebene vorangeschritten, können sie sich dafür entscheiden, sich mit dem ALL-SEIENDEN weiterzuentwickeln oder innerhalb des Ganzen als individuelles Bewusstsein Aufgaben zum Wohle des Ganzen zu erfüllen,

Unser Körper spiegelt die gleiche Realität wider. Jede Körperzelle ist eine separate Bewusstseinseinheit, die als Teil eines Kollektivs fungiert. Und wir als dominierende Gottseele versuchen, die Wege dieses Kollektivs zu lenken und zu kontrollieren. Nicht selten will aber diese Masse an Zellen lieber ihre eigenen Wege gehen, anstatt als Teil des Ganzen zu funktionieren. Die Harmonie, die wir in unserem eigenen Universum anstreben, kann nur erreicht werden, wenn wir Einsicht in den Bewusstseinszustand haben, der innere Einheit und Zusammenarbeit stimuliert, und dann danach streben, in diesem Zustand zu leben. Das ist das Ziel der Selbstbemeisterung. Viele behaupten, diesen Zustand erreicht zu haben, aber nur wenige haben es tatsächlich, denn die entscheidende Kraft, welche die Gottseele in diesen Zustand der Bemeisterung führt, ist Liebe.

Das Gesetz der Liebe

Religiöse und andere Literatur spricht immer wieder Aspekte dieses Gesetzes an. Liebe ist das „Haftmittel“, das alles was im Universum und im Leben eines jeden Lebewesens geschieht, zusammenhält und trägt. In dem Sinne, dass das Gesetz der Liebe die Einzigartigkeit von Zweck und Eigentümlichkeiten des Lebens definiert, ist es ein anderer Ausdruck für das Gesetz der Einheit. Die meisten Menschen verstehen Liebe als eine Emotion, ein Gefühl. Damit lassen sich in mancher Hinsicht tatsächlich Merkmale dieser Eigenschaft des ALL-SEIENDEN kennzeichnen. Aber über das hinaus, was wir in unserem menschlichen Bewusstsein als Liebe erleben, ist Liebe eine Kraft, ein Energiefeld, eine Schwingung – also etwas, das sich von der Emotion unterscheidet, die das menschliche Bewusstein darunter versteht. So betrachtet, ist Liebe eine harmonische Schwingung. Wenn wir uns mit ihr in Einklang bringen, berühren wir die höchsten Eigenschaften des ALL-SEIENDEN; wir schwingen auf der gleichen Ebene wie diese Eigenschaften und verbinden uns mit ihnen. Jeder andere Bewusstseinszustand trennt uns von der einenden Kraft des Universums. Wir fühlen uns abgeschnitten, solange wir nach diesem schwer fassbaren Etwas Ausschau halten. Unser Problem besteht darin, dass wir sonstwo suchen statt zu erkennen, dass Liebe hier und jetzt gegenwärtig ist – in uns selbst. Wir selbst sind die Quelle der Liebe, und wir können ihre Macht – die Kraft des Universums – erschließen, wenn unsere Schwingung durch bewusste gedankliche Entscheidung auf Liebe ausgerichtet ist.

Bei unserem Aufstieg auf der Leiter des Bewusstseins – vom mineralischen über das pflanzliche zum menschlichen – erhalten wir Unterstützung. Auf niedrigeren Ebenen hat diese Unterstützung die Form von Instinkten und genetischer Veranlagung. Später erhalten wir die Fähigkeit, bewusste Entscheidungen zu treffen, die lehrreiche Folgen haben. Dies führt uns zu noch höheren Entscheidungsebenen und noch höherer Belehrung. Schließlich lernen wir, uns für Liebe als die alles verbindende, alles übersteigende Kraft zu entscheiden, die uns von der Mühsal irdischer Existenz befreit. Im Bewusstseinszustand der Liebe erheben wir uns über die Ablenkungen von Geld und Dingen. Unsere Antriebe und Ziele ändern sich. Dem ALL-SEIENDEN zu dienen, wird zum wichtigsten Aspekt unseres Lebens.

Diese Vorstellung ist zunächst schwer zu begreifen. Wie kann alles ein Ausdruck von Liebe sein, wenn Negativität und Böses freien Lauf haben? Wie lässt sich die Vorstellung eines Gottes der Liebe mit Ereignissen vereinbaren, die schwerlich Ausdruck von Liebe sein können? Um das besser zu verstehen, muss man eingehender untersuchen, was Seele und Geist eigentlich bedeuten. Wie wir gesehen haben, ist Seele das belebende Prinzip in allen lebenden Dingen. Eine Seele besteht aus Geist und ist eine mit Leben ausgestattete geistige Einheit. Eine Seele ist eine Manifestation und ein Funken ihres göttlichen Schöpfers. In reiner Form kann eine Seele die Eigenschaften ihres Schöpfers – Allwissenheit, Allmacht und Allgegenwart – zum Ausdruck bringen. Geist ist die Kraft, die das Weltall durchdringt, alles Leben aufrecht erhält und alle lebendigen Dinge in sich einschließt sowie sich durch sie ausdrückt.

Das Universum mit allen seinen Ebenen und Aspekten wurde zu dem Zweck geschaffen, die Seele zu lehren, welche Macht ihr innewohnt und was letztlich ihre Rolle und Verantwortung in den Abläufen, im „Betrieb“ des Universums ist. Solange man das nicht erfasst hat, kann man unmöglich das Leben begreifen und verstehen, warum die Seele hier ist. Die sichtbaren und unsichtbaren Universen stellen eine Reihe von Unterrichtsräumen dar, in denen der Seele die nötigen Erfahrungen geboten werden, die sie erkennen lassen, was sie ist, welche Kräfte ihr innewohnen und was ihr höchster und letzter Sinn und Zweck ist.

Aus dem Vorstehenden versteht man auch, warum die Vorstellung von „Sünde“ so unsinnig ist. Der Glaube, jemand oder etwas habe unsere Sünden von uns genommen, mag ja etwas Tröstliches an sich haben, aber das ist ein irreführendes Linderungsmittel. Schließlich haben wir bereits festgestellt, dass „Sünde“ der Stoff ist, aus dem sich Lektionen in spirituellem Wachstum herauskristallisieren. Vergebung wird nur notwendig aufgrund der irrigen Vorstellung, der Mensch sei in Sünde geboren. Und es wimmelt von Erlösern, die den Sündern die ersehnte Absolution erteilen – und damit einen Abhängigkeitskreislauf für diejenigen mit geringem Selbstwertgefühl herstellen. Gewiss ist Hilfe im Leben nötig, aber sicher nicht die Variante, mit der die meisten Religionen hausieren gehen. Deren Hilfe hat einen hohen Preis, denn wir werden von der Wahrheit ferngehalten, die zu spiritueller Vollmacht führt – zu der Erkenntnis unserer selbst als Gottseele.

Bevor der Seele gestattet wird, die phantastischen Kräfte anzuwenden, die ihr Geburtsrecht sind, muss sie durch Ausübung freien Willens, Entscheidungen und Auswahl zeigen, dass sie für diese Verantwortung auch vorbereitet ist. Es ist eine langwierige Ausbildung, die sich nicht in einem einzigen Leben absolvieren lässt, sondern viele Leben in vielen Lebensformen erfordert. Die nötige Hilfe in dieser Ausbildung ist im Geist verkörpert. Geist wiederum ist ein Ausdruck reiner Liebe. Mit anderen Worten: Die Seele existiert nicht so sehr wegen der Liebe Gottes für sie, sondern weil die Existenz der Seele das ist, was dem ALL-SEIENDEN bewussten Ausdruck gibt. Seele ist, was das ALL-SEIENDE ist. Sie sind EINS.

Liebe ist das Fluid des Lebens, die Verbindung zwischen dem EINEN und allen Seelen, die ja Kinder der Träume des EINEN sind. Sie dürfen erleben, wissen und sein. So dehnen sie den Rahmen des ALL-SEIENDEN aus. Ohne Liebe – könnte das ALL-SEIENDE nicht erschaffen. Mit Liebe – ist alles klar und wird alles verstanden. Unser gewaltiges Universum und alle Dimensionen der bekannten und unbekannten Realität werden von Liebe aufrecht erhalten. Gedanken und Vorstellungen verwirklichen sich durch unsere Liebe zu deren Manifestation und die auf sie gerichtete spirituelle Energie.

Liebe ist nicht einfach das manifestierte Gute, wie wir uns das gerne vorstellen. Sie ist reine Kraft – eine Energie, die gleichermaßen auf gute wie auf böse Gedanken gerichtet wird. Liebe in schlicht emotionellem Sinne zu verstehen, ist falsch. Aber sie hat ein heilbringendes Ziel. Wird diese Kraft für Ziele genutzt, die im Grunde negativ sind, so hat das Ergebnisse, die mit dem kreativen, auf Ausdehnung gerichteten Charakter dieser Kraft in Konflikt stehen. Das ES lässt Negativität zu, um die Seele zu lehren, wohin es führt, diese Energie auf solche Weise zu gebrauchen. Erfahrungen solcher Art lehren die Seele, sich für den aufrecht erhaltenden, sorgenden Aspekt dieser Kraft zu entscheiden. So führen alle negativen Entscheidungen und die daraus folgenden Lektionen zum Wachstum der Seele.

Aus dieser Perspektive erhält Negativität eine ganz andere Bedeutung. Gewöhnlich wird das Böse als das Gegenteil des Guten angesehen. Aber tatsächlich ist es kein Gegensatz oder auch nur etwas Getrenntes – es ist ein notwendiger Teil von Wachstum und Ausdehnung des Bewusstseins – der eigentlichen Manifestation der Liebe in unserem Leben. Je besser man den universellen Plan versteht, umso deutlicher tritt hervor, dass Negativität ein Teil der göttlichen Kraft ist. Negativität hat einen entscheidenden Platz in der Schulung der Seele. Die allzu simplen, nach menschlichen Belangen aufgefassten Deutungen von Teufel, Kal [Bezeichnung aus dem Sanskrit: Die negative Macht, auch Kal Niranjan genannt; Zeit; Tod] und dergleichen verfehlen das Wesentliche und liefern oft auch den Sündenbock für Taten und Konsequenzen, von denen die Verursacher sich distanzieren möchten. Ein Kind lernt nicht, das Feuer zu vermeiden, ohne erst Schmerzen erlitten zu haben.. Hier kommt das Gesetz der Dualität ins Spiel. Wir können etwas nur in Relation zu seinem Gegensatz lernen und wissen. Die Seele kann sich erst zur Bewegung in eine positive Richtung entscheiden, wenn sie die Freiheit hat, auch das Gegenteil zu wählen und zu erfahren. Aus diesem Grund hat die Seele die Gabe des freien Willens erhalten, und aus diesem Grund ist Freiheit so wichtig für unsere spirituelle Entfaltung.

Die Seele will nach Hause zurück. Ihre glücklichsten Momente sind nur ein blasser Abglanz einer Seligkeit, nach der sie endlos strebt. Hat dieses Streben nach spiritueller Glückseligkeit und Freude erst einmal begonnen, sucht die Seele überall. Zunächst greift sie nach jedem Genuss, den sie finden kann – unter dem Motto „man lebt nur einmal“. Das Streben nach Genuss macht einen Teil der Reise und Schulung der Seele aus. Mit der Zeit erkennt sie die Vergeblichkeit dieses Strebens und sehnt sich nach etwas Dauerhaftem und Erfüllendem. Allmählich strebt die Seele nach einem höheren Ausdruck von Bewusstheit und verlangt schließlich danach, die Quelle ihrer Erschaffung zu erkennen. Aber die Seele muss sich für das Streben nach spirituellem Wachstum entschieden haben. Diese Entscheidung erfolgt nur in Ausübung des freien Willens und umfasst die frei getroffene Auswahl aus verfügbaren Alternativen, zu denen neben allen anderen Manifestationen des Lebens auch Böses und Negativität gehören.

Negative Erfahrungen zu vermeiden, bringt wenig Einsicht in die Realität des Lebens und kann sogar zu der Versuchung führen, alles zu probieren, „was man verpasst hat“. Andererseits kann ein Individuum auch in einem Ich-konzentrierten Zustand moralischer Überlegenheit leben, der sich als „Verstehen“ gibt. Deshalb haben Moral und Regeln – so wichtig sie für die Gesellschaft und als Anleitung in den frühen Stadien des spirituellen Wachstums sind – ihre Grenzen. Letztendlich tragen sie wenig zur individuellen spirituellen Entwicklung bei, wenn sie uns nur gegen unseren Willen von Erfahrungen abhalten. Egal wie weit das Individuum abzudriften scheint – das Leben zu leben und Erfahrungen zu sammeln, sind notwendige Aspekte unserer spirituellen Entfaltung.

Deshalb können scharfe Betonung von Moral sowie religiöser Druck als Ersatz für innere spirituelle Führung die spirituelle Entwicklung nur hemmen. Eine Entscheidung ohne Kenntnis der Alternativen oder ohne freien Willen nützt dem spirituellen Wachstum nicht. Wenn die Seele alle Aspekte des Lebens sowie deren Konsequenzen frei erlebt, dann lernt sie schließlich, dass es nur EINEN Weg zum Göttlichen gibt. Dann ist der Punkt erreicht, an dem sich das Verlangen verstärkt, den Pfad zu finden, und ein Gottsucher lebendig wird. Aufgeklärte Ausübung des freien Willens führt dann letztendlich zur Mitwirkung an den Abläufen des Universums des ALL-SEIENDEN – dem Großen Werk. Das ist die Bestimmung aller Seelen.

Was Liebe in ihrer ganzen Fülle bedeutet, kann nicht in der Spanne eines einzigen Lebens erfasst werden. Die meisten Religionen tun sich schwer mit der Erklärung, wie ein liebender Gott es zulassen kann, dass Unglück über die Menschen hereinbricht: die Geburt eines verkrüppelten Kindes, die Armut eines Landes, die Versklavung eines Volkes oder der Tod von Tausenden von Menschen durch eine Naturkatastrophe oder durch menschliche Verursachung. Aus der Perspektive eines einzigen Lebens haben solche Ereignisse keinen Sinn. Die Menschen fragen sich verständlicherweise, womit sie so etwas verdient haben. Ebendiese Logik bildet seit den Anfängen der Zivilisation die Basis für Erklärungen tragischer Ereignisse, und man hört sie immer noch. Unglück wurde und wird auch heute noch als Tat eines rächenden Gottes angesehen, der einzelne Menschen oder Gruppen für eine Sünde bestrafen will. Diese Logik fördert auch die Vorstellung von einem Gott, den man fürchten muss. Aus der Perspektive eines einzigen Lebens liefert nur die Vorstellung von bedingter Liebe (bist du gut, so wirst du gesegnet – bist du böse, wirst du bestraft) eine spirituelle Begründung für Ereignisse.

Wenn man aber ins Auge fasst, dass die Seele viele Leben lebt und ihr Bewusstsein durch unzählige Erfahrungen erweitert, dann beginnt die Vorstellung, dass alle Ereignisse Bestandteil eines Systems der Liebe mit dem Ziel der Unterweisung und der Schulung sind, einen Sinn zu ergeben. Indem man die Gabe des freien Willens nutzt, wird man selbst verantwortlich für die eigenen Lebensumstände und Schöpfungen, und das ist die Grundlage jeglichen spirituellen Wachstums. Etwas anderes oder jemand anderen für unsere Lebenssituation verantwortlich zu machen, verfehlt den Sinn der Freiheit der Seele und der Gabe des freien Willens.

Liebevolle Eltern unterweisen und leiten das Kind an, erlauben ihm aber auch, seine eigenen Erfahrungen zu machen und aus ihnen zu lernen. Das Kind vor den Folgen zu behüten, mag kurzfristig als liebevoller Vorgang erscheinen, hemmt aber langfristig die Entwicklung des Kindes. Liebevolle Strenge verlangt von den Eltern manchmal, das Kind die Folgen seines Handeln erfahren zu lassen. Das ist die schwerste, jedoch auch hilfreichste Manifestation von Liebe. Göttliche Liebe ist die höchste Manifestation dieser liebevollen Strenge. Sie gestattet der Seele den größten Freiraum für den Selbstausdruck und die völlige Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Handlungen. Auf diese Weise macht alles Lebendige Fortschritt und dehnt sein Bewusstsein aus. Zunächst drehen sich die Lektionen einfach ums Überleben. Das Tier lernt, was es zu tun hat, um zu überleben. Es wird im Laufe der Zeit in einer anderen Lebensform wiedergeboren, um weitere Lektionen zu bewältigen, die zu einem größeren Überlebensvermögen führen. So grausam das Gesetz des Überlebens auch scheinen mag, es ist eine Manifestation göttlicher Liebe, jedoch ohne die Emotionalität, Moralität und Kritik, die unsere Fähigkeit trüben, Liebe in ihrer göttlichen, reinen Form wahrzunehmen.

Wenn sich dieses Bewusstsein genügend ausgedehnt hat, erhält die Seele Gelegenheit, in einer höheren Form zu leben, die ihr ein breiteres Erfahrungs- und Entscheidungsspektrum bietet. So erlaubt es uns göttliche Liebe, unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln, um die Lektionen des Lebens zu lernen und unser Bewusstsein zu erweitern. Die Rolle eines liebenden Gottes besteht ebenso wie die liebevoller Eltern darin, das Kind anzuleiten und zu lehren und ihm zu gestatten, aus seinen eigenen Erfahrungen zu lernen. So geschieht es auch mit der Seele.

Die Seele hat nicht immer die Möglichkeit, einen Lebenszyklus vollständig abschließen, vielmehr kann ein einzelnes Leben an jedem Punkt enden. Aber für die Seele ist das nicht auch das Ende der Lektionen. Sie behält eine Aufzeichnung von allem, was sie ist und in ihren vielen Leben sowie in verschiedenen Körperformen getan und gelernt hat – nicht die Allerweltsdinge und Banalitäten des Daseins, sondern die transzendenten Lektionen, die für jede Epoche oder Kultur gelten. Diese Erfahrungen bilden die Basis für weitere Lebenszeiten. Dieser Zusammenhang ist allgemein als Karma oder das Gesetz von Ursache und Wirkung bekannt. Das Individuum, das einem anderen Schmerz zugefügt hat, könnte wiederkehren und in einer Opferrolle den gleichen Schmerz erleben. Oder es könnte wiederkehren, um als Teil der für seine Seelenentwicklung notwendigen Schulung für eine leidende Person sorgen zu müssen. Erfahrung und tiefsitzende Erinnerungen bewahren das Individuum davor, Erfahrungen zu wiederholen. Wenn die Seele Verfehlungen wiederholt, muss sie auch deren Folgen wiederholen, bis sie verstanden hat und weitergehen kann. Dieses System der Liebe gewährt der Seele die Erfahrungen, die sie benötigt, um sich aus dem Zyklus von Ursache und Wirkung zu befreien. Wenn wir die Kontinuität des Lebens betrachten und erkennen, dass die Seele am besten durch ihre eigenen Erfahrungen lernt, dann können wir auch begreifen, dass die Seele in einem Liebessystem lebt, das es ihr gestattet, von Leben zu Leben unzählige Erfahrungen zu sammeln, die auf das eine Ziel der Bewusstseinserweiterung ausgerichtet sind.

Unser sichtbares Universum ist tatsächlich nur ein „Unterrichtsraum“. Es war nie darauf angelegt, ein Ort für „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ zu sein. Es ist als Schule bestimmt, in der Seelen in verschiedenen Bewusstseinsstadien Erfahrung im Leben sammeln, sich selbst zum Ausdruck bringen und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen und Handlungen erfahren.

Die spirituelle Hierarchie

Das Gesetz der Einheit beinhaltet nicht nur das fundamentale System der Liebe, das allen Dingen zu Grunde liegt, sondern auch die Struktur, durch die dieses System zur Anwendung kommt, sowie die Ebenen der Schöpfung, die zum Unterrichtsraum der Seele gehören. Diese Ebenen bilden die Welten, in denen die Seele ihre Erfahrungen macht, nachdem sie die Lektionen des physischen Universums gemeistert hat. Die inneren Welten sind uns nicht so fremd und unbekannt, wie wir vielleicht denken. Wir alle haben sie im Traumzustand schon bereist und diese Reisen meist als bedeutungslos abgetan. Diese Regionen sind weit mehr als Seifenblasen. Die inneren Welten bilden eine ungeheure Kosmologie, zu der auch viele Universen gehören, die in ganz anderen Dimensionen von Realität existieren. Wenige haben sie erforscht, aber sie stehen allen offen, die ein Bewusstsein entwickeln, mit dem diese Universen erfahren werden können.

Die verschiedenen Dimensionen der Realität sind unermesslich und bei weitem größer, vielschichtiger und wundersamer als das sichtbare Universum. Das physische Universum ist die unterste dieser Dimensionen. Es ist der Anfänger-Unterrichtsraum, die erste Klasse in der Entwicklung der Seele. Es wird von „Administratoren“ beaufsichtigt. Diese unterstützen die Seele in ihrer Aufwärtsbewegung und Bewusstseinsentwicklung, bis sie schließlich ihre Rolle in der „Bewirtschaftung“ der Universen Gottes übernimmt.

Diese Ebenen haben in den verschiedenen spirituellen Pfaden verschiedene Namen erhalten, und je nach Pfad werden 5 bis 49 Ebenen unterschieden. Über Namen und Anzahl wird debattiert, doch zunächst soll es genügen, die Ebenen zu benennen und zu beschreiben, über die einigermaßen Übereinstimmung herrscht. Wir können auch einräumen, dass die Seele in Welten reist, die bisher nicht bekannt sind. Die Ebenen sind:

Das Gesetz der Dualität: Gut und Böse

Das Gesetz der Dualität drückt die Vorstellung aus, dass die volle Bedeutung von etwas nur in Relation zu seinem Gegenteil erfasst werden kann. Anders ausgedrückt: Realität besteht aus zwei gleichermaßen gültigen Komponenten. Unser Wachstum fließt aus den Erfahrungen, die wir mit dem einen oder dem anderen Aspekt einer Sache machen. Wir würden die Bedeutung von „auf“ nicht verstehen können, wenn es kein „ab“ gäbe. „Schönheit“ bedeutet nur etwas in Relation zu „hässlich“. Das Gesetz der Dualität liefert die Basis für das Verständnis unserer Lebenserfahrungen. Es bietet uns außerdem in jeder Situation eine Wahl an, die uns die Möglichkeit gibt, unseren freien Willen auszuüben. Ein Stück weitergeführt, können wir aus diesem Gesetz auch erkennen, dass Dualität in jeder Situation, in jeder Erfahrung und in jedem Aspekt des Lebens steckt.

Ein weiterer Aspekt dieses Gesetzes besteht darin, dass alle Ereignisse, Umstände und Dinge schon an sich gleichzeitig positiv und negativ sind. Ob wir eine Sache oder Situation als positiv oder negativ erleben, wird bestimmt durch die Realität, die wir in ihnen sehen und als unsere Wahrheit akzeptieren und aufgrund derer wir handeln Die meisten Menschen sehen dies und die Folgerung daraus nicht. Wir neigen dazu, zu vereinfachen und jeweils nur eine einzige Dimension einer Sache zu sehen. Wir bezeichnen sogar „keine Nachrichten“ manchmal als „gute Nachrichten“. In diesem einfachen Beispiel finden wir eine beachtenswerte Fehldeutung dieses Gesetzes. „Keine Nachrichten“ sind tatsächlich „keine Nachrichten“. Und wenn das Ergebnis, die tatsächliche Nachricht, uns schließlich erreicht, müssen wir immer noch entscheiden, auf welchen Aspekt der Realität wir unsere Aufmerksamkeit richten wollen. Das ist eine Entscheidung, die unsere Zukunft bestimmt.

Wir sehen das Gesetz der Dualität in Aktion, wenn wir beobachten, wie zwei verschiedene Menschen auf dasselbe Ereignis reagieren. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist eine schlimme Sache für den, der diesen Vorgang nur aus dem Blickwinkel negativer Konsequenzen sieht. Ein anderer, der sich danach sehnt, aus den Zwängen seines Arbeitsplatzes auszubrechen, betrachtet denselben Vorgang aus der gegenteiligen Perspektive und sieht eine Fülle an Möglichkeiten in der neugewonnenen Freiheit. Da wir für eine gegebene Situation nur eine Seite des Kontinuums der Dualität als „korrekt“ betrachten, springen wir laufend zu dieser oder jener Realität und beharren darauf, nur EINE Seite der Dualität sehen. Wenn sich diese Sicht im Massenbewusstsein verankert, werden andere Aspekte schnell ausgegrenzt, und mit der größten Überzeugtheit wird nur EINE Seite der Sache vertreten. Der Begriff „politisch korrekt“ entstand, um gesellschaftliche Beschränkungen über das auszudrücken, was man sagen darf und was man nicht sagen darf. Damit soll nicht gesagt sein, die Gesellschaft könne oder dürfe das Äußern gewisser Wahrheiten nicht einschränken. Tatsächlich ist dies aufgrund eines allgemeinen Gesetzes sogar notwendig. Unabhängig von ihrer Ausprägung neigen Gesellschaften dazu, sich dadurch zu schützen, dass sie bestimmte Ideen und Gedanken preisen oder verurteilen. Wichtig ist aber, welche Ideen gesteuert werden und wer sie steuert.

Wer den Weg von Ruhm, Reichtum und Glanz geht und diese Ziele schließlich erreicht, wird vielleicht entdecken, dass er gefangen, gehetzt und einsam ist und sein „Glück“ nicht genießen kann oder auch nur zu schätzen weiß. Der Obdachlose kommt und geht, wie er will – er ist frei von Rechnungen, Hypotheken, Bindungen und Pflichten. In mancherlei Hinsicht wäre das äußerste Freiheit mit Möglichkeiten und Alternativen, die weit über das hinausgehen, was einer prominenten Person möglich ist, die sich verkleiden muss, um ein wenig Freiheit erleben zu können. Aber Obdachlosigkeit hat auch elende Seiten, worüber man keine Worte verlieren muss.

Wir können uns als vom Glück gesegnet oder als vom Unglück verfolgt ansehen. Beide Realitäten sind vorhanden, und beide sind wahr. In dieser Weise ist die Ausübung des freien Willens also jederzeit und in allen Situationen gegeben. Das Leben läuft auf die Wahlentscheidungen hinaus, die wir in jedem Augenblick unseres Daseins treffen. Unsere innere und äußere Realität spiegelt immer die Entscheidungen wider, die wir zwischen diesen zwei Realitäten treffen. Beide sind vorhanden, und beide sind gleichermaßen folgerichtig und möglich. Es kommt nur auf die Ausübung des freien Willens, auf das Treffen einer Wahl an. Hier möchte ich ein Beispiel aus meinem Leben geben.

Mein Unternehmen hing lange von einer bestimmten Geschäftsbeziehung ab, die ein plötzliches Ende nahm. Unsere erste Reaktion war Sorge und dunkle Vorahnungen: Es würden Arbeitsplätze verloren gehen, Rechnungen könnten nicht rechtzeitig bezahlt werden. Solche Sorgen gingen allen Mitarbeitern im Kopf herum. Aus dieser einen Perspektive sah die Zukunft der Firma trübe aus, bis bei einem Mitarbeitertreffen jemand aufstand und meinte, das sei doch eigentlich eine gute Nachricht. Nachdem der Aufruhr abgeebbt war, wurde eine positive Sicht der Lage präsentiert. Die Bequemlichkeit der bisherigen Geschäftsbeziehung habe die Firma davor zurückgehalten, weitere Kunden zu finden. Wir hätten jetzt die Chance, uns freizumachen und die von der Veränderung hervorgebrachte Energie zu nutzen, um Möglichkeiten auszuloten, die schon immer bestanden, die unsere Firma aber nie ausgelotet hatte. Diese Perspektive trug den Sieg davon, und die Firma stieß auf eine neue Ebene vor. Diese neue Haltung für unser Unternehmen hätten wir wahrscheinlich nie erreicht ohne die Entscheidung, auf der Basis der „guten Nachricht“ zu handeln, statt über der „schlechten Nachricht“ zu brüten.

Das Gesetz der Polarität

Dem Gesetz der Dualität ähnlich ist das Gesetz der Polarität. Es bezieht sich auf einen weiteren Aspekt unserer Realität. Das Gesetz der Dualität richtet das Augenmerk auf die positiven und negativen Möglichkeiten in einer Situation. Das Gesetz der Polarität geht dagegen auf die Tendenz von Geschehnissen ein, sich je nach unseren Entscheidungen in entgegengesetzte Richtungen zu entwickeln. So entwickelte mancher Erwachsene aus einer ungünstigen frühen Kindheit heraus große Stärke und Zuversicht, die ihn zu einer führenden Gestalt machten. Aus der Saat scheinbar einseitiger Härte erwuchsen innere Stärke, Engagement und Beharrlichkeit, die zu späterem Erfolg führten. Andererseits kann die Saat aus Reichtum, Chancen und Privilegien – wie im Leben von Multimillionär, Regisseur und Flugzeugbauer Howard Hughes – Isolierung, Vereinsamung und Verfolgungswahn hervorbringen. In negativen Merkmalen liegen die Wurzeln für die Umkehr. Diese Umkehr ist gesichert, denn man wird schmerzhaft daran erinnert, dass die Konsequenzen sich fortsetzen, wenn man so weitermacht wie bisher.

Das Gesetz der Polarität ist auch in der Geschichte zu beobachten. Manche Geschehnisse erscheinen an der Oberfläche nur gut oder nur schlecht. Es mag schwerfallen, die entgegengesetzte Realität in einem Geschehnis zu sehen. Größere Distanz oder höhere Ebenen von Bewusstsein sind nötig, um die entgegengesetzte Realität und deren mögliches Hervortreten zu sehen. Die Existenz von Hitler, so katastrophal ihre Wirkung war, diente auch als Katalysator für positive Folgen, die andernfalls vielleicht nie eingetreten wären – hier etwa die Gründung eines jüdischen Staates. Dies führte jedoch wiederum zur Verdrängung der Palästinenser, die dadurch ihre Heimat verloren. Und so setzt es sich immer fort; jedes Ereignis wird als gut oder schlecht angesehen, enthält aber auch die Wurzeln für ihr Gegenteil.

Bei der Betrachtung dieses Aspektes des Geistes könnten wir fragen, welcher Sinn wohl dahinterstecken soll. Wie können wir das Spiel des Lebens jemals gewinnen? Es scheint, als ob wir nur schlechte Karten hätten. Wie können wir Geschehnisse verstehen, wenn etwas, das positiv erscheint, negative Folgen hat? Auf welchen Zweck zielt ein solches System ab? Die Antwort ist aber nicht schwer zu verstehen. Es liegt in der Natur des Geistes, auf jede in ihn hineingelegte Gedankenform durch Erfahrung mit einer Erweiterung des Bewusstseins bis zur vollen Erkenntnis der Einsseins der Seele mit dem ALL-SEIENDEN zu antworten. Durch diesen Prozess wird die Seele letztendlich in der Aufrechterhaltung und in den Abläufen der Universen zu einem bewussten Partner des ALL-SEIENDEN.

Das Gesetz des Geistes

Man muss die Natur des Geistes verstehen, um die Kräfte zu begreifen, die unser Leben bestimmen. Er hat viele Namen – Geist, Chi, die Kraft, Shabd, Prana -, aber Geist ist immer dasselbe. Er drückt sich aus als Intelligenz, Kreativität, Weisheit, Schutz, Führung und ist mit jedem Aspekt unseres Lebens, sei es klein oder groß, innig verwoben. Geist ist das Medium, das alles Leben in allen Universen trägt und erhält. Geist wirkt in allen Lebensformen – durch Instinkt bei Tieren, durch bewusste Entscheidung beim Menschen. Geist ist allgegenwärtig. Geist ist die Quelle aller Gewissheit. Geist ist die Datenbank, der Aufbewahrungsort aller Weisheit und allen Wissens. Dieses Wissen muss nicht in einem Einzelwesen aufbewahrt sein, sondern lässt sich nach Bedarf vom Quell allen Wissens abgreifen. Geist ist ein Ausfluss des ALL-SEIENDEN. Geist ist die Quelle des Bewusstseins und schließt das Bewusstsein in sich ein. Die Seele ihrerseits ist ein bewusster, konzentrierter Aspekt des Geistbewusstseins. Als Seele verschmilzt und entfaltet Geist sich zu einer individualisierten Einheit, die fähig ist, unabhängig zu denken und bewusst zu sein. Geist arbeitet in Harmonie und Partnerschaft mit seinem Ursprung – dem ALL-SEIENDEN und dem höheren Selbst. Geist reagiert, sobald eine Gedankenform hervorgebracht wird. Jede Gedankenform wirkt auf dieses ungeformte Geist-Energiefeld ein. Dieses wiederum reagiert kreativ durch Erzeugen einer Wirkung in der äußeren Welt. Es manifestiert Gedankenformen, die seiner Natur entsprechen – nämlich, dem Ganzen zu dienen.

Um die Funktionsweise dieser universellen Kraft zu verstehen, müssen wir das Leben verstehen und an den Vorgängen des Lebens selbst teilnehmen. Wo setzen wir an, um Geist zu verstehen? Bei Energie. Auf einer von vielen Ebenen sind es Moleküle und Atome, Protonen und Quarks und noch kleinere Teilchen oder Wellen. Geist manifestiert sich auch als Licht und Ton, wenn sie auch keine grundlegenden Bestandteile des Geistes sind. Stattdessen, und grundlegender, ist Geist Bewegung, Materie und Bewusstsein. Licht und Ton – und tatsächlich alle wellen- und teilchenartigen Manifestationen – sind nur Aspekte auf verschiedenen Ebenen von Bewegung, Materie und Bewusstsein. Was wir als Welle, Teilchen oder sonstige Form von Energie wahrnehmen, wird auf der nächsthöheren Ebene der Existenz als eine Form von Materie wahrgenommen. Aber in allen Fällen werden die Eigenschaften von Bewegung und Bewusstsein miteinander verbunden. Diese zusammengenommen schaffen Existenz auf allen Ebenen und Dimensionen der Realität.

Eingehender entwickelt wird diese Vorstellung im (weiter oben beschriebenen) pythagoräischen Hylozoismus, der eine Sicht der grundlegenden Natur des Geistes und somit des Lebens selbst darlegt. Die Quantentheorie und das holographische Weltbild deuten die Natur des Geistes an, d.h., sie stellen etwas von dessen Komplexität dar, sehen jedoch kaum etwas von dessen Einfachheit. Auf elementarster Ebene ist er Gedanke, Gefühl, Liebe. Geist ist überall, und alles ist aus ihm gebildet. Geist verwandelt sich in alle Formen und existiert auf allen Schwingungsebenen in der physischen Dimension und auf jeder anderen Ebene im inneren und äußeren Universum. Auch was wir in unseren Träumen und bewussten inneren Reisen sehen, besteht aus diesem Stoff, wobei er dort allerdings auf einer anderen und feineren Ebene von Schwingung und Substanz existiert. Dass er Bewusstsein hat, ist axiomatisch, denn er fließt aus der Realität des ALL-SEIENDEN, das reines Bewusstsein ist.

Geist ist mit allem in Verbindung. Er umfasst Gedankenformen und Dimensionen, welche die Substanz der Illusion ausmachen, die „Leben“ genannt wird. Diese Illusion hat ihren Zweck: Hinter der Schöpfung steht ein erklärbarer, zielgerichteter Plan. Es ist aber eine solidere Grundlage erforderlich, bevor man ihn ganz verstehen kann. Vorerst soll die Aussage genügen, dass alles nur Geist ist, denn Geist ist die Art und Weise, wie das ALL-SEIENDE wirkt. Wir sind Geist; wir leben im Geist; wir reagieren auf Geist, und Geist reagiert auf uns.

Beim Versuch, so etwas wie Geist als allgegenwärtig, allmächtig und allwissend zu erfassen, sind wir gezwungen, es von vielen Gesichtswinkeln aus zu beschreiben. Viel ist über diese Kraft bekannt, und noch mehr lässt sich über die Natur dieser Kraft sagen. Neben dem reagierenden Aspekt seiner Arbeitsweise scheint Geist einen Plan oder Zweck – einen Charakter – zu haben, der in nichts Geringerem besteht, als das grundlegende Gebot des ALL-SEIENDEN zu befolgen. Soweit erkennbar, besteht dieser Zweck darin, mit jeder Seele an deren Überlebensfähigkeit zu arbeiten und die Ausdehnung ihrer Bewusstheit zu fördern. Diese Ausdehnung bringt jede Seele an den Punkt, an dem sie sich als Teil des Geistes und des ALL-SEIENDEN bewusst wird. Sie begreift ihre innewohnende Macht und ewige Rolle als Partner des Unendlichen. Sie dient dann anderen Seelen, indem sie diesen hilft, eine Ausdehnung des Bewusstseins bis zu einer Bewusstheit des ALL-SEIENDEN zu erreichen. Das nenne ich das GROSSE WERK. Geist tut dies in einer Weise, die das Wachstum und Lernen aller Seelen steigert – ganz gleich, welchen Entwicklungszustand sie erreicht haben.

Arbeit zum Wohl des Ganzen

Keine Beschreibung des Geistes vermittelt dessen Natur besser als die, dass er zum Wohl des Ganzen wirkt. Die Vorstellung, dem Ganzen zu dienen, mag sich in einer die Individualität betonenden Gesellschaft befremdlich ausnehmen. Leben spiegelt die Eigenschaft und Fähigkeit des Geistes wider, die Bedürfnisse jeder einzelnen Lebensform zu erfüllen. Und doch scheinen die Ergebnisse einer Erfahrung im Leben unsere ausdrücklichen Wünsche oft nicht zu erfüllen. Das trifft besonders dann zu, wenn diese Wünsche von eigennütziger Art waren und keine Rücksicht auf andere nahmen. Hier bestimmt der Geist die Ergebnisse unserer Wünsche in dem Sinne, dass der Eigennutz jener, die noch auf niedrigeren Bewusstseinsebenen agieren, ausgeglichen wird.

Es liegt nicht in der Natur des Geistes, nur einem Teil zu nützen, d.h. den Belangen nur einer Person oder Gruppe. Wenn eigennützige Erfolge angestrebt werden, ist das Ergebnis oft nur kurzlebig oder für die Person nachteilig. Es liegt in der Natur des Geistes, seine Segnungen so auszuteilen, dass die Gesamtheit des Lebens davon Nutzen hat. In dieser Aussage liegt ein entscheidender Schlüssel zur Natur wirklichen Erfolgs. Wenn Ziele erreicht werden, die nicht nur der jeweiligen Person nützen, dann wird sie als großmütig, stark und herausragend gewürdigt. Die Gesellschaft zeichnet diejenigen aus, die so hoch entwickelte Bewusstseinsebenen zeigen. Sie werden unsere Erlöser, Herren, Meister, Heiligen, Nobelpreisträger, Helden und Philanthropen.

Ein anderer Weg, die Natur des Geistes zu beschreiben, ist Liebe – eine Liebe für alles Leben. Wenn wir die Segnungen des Geistes auf unsere Angehörigen und uns beschränken wollen, arbeiten wir gegen die Natur des Geistes und begrenzen seine Fähigkeit, uns Segnungen zu gewähren. Wenn wir das nicht verstehen, erfahren wir Enttäuschungen im Leben und wenden uns vielleicht sogar vom Geist ab in dem Glauben, dass er gar nicht existiere oder für uns zu undurchsichtig sei, als dass wir in unserem Leben etwas mit ihm zu tun haben wollten.

Alles im Universum ist aus Geist geschaffen und ist selbst Geist. In seiner undifferenzierten Form ist er reine Energie, ungeformt, undefiniert und wartet darauf, durch das Denken aktiviert zu werden. Diese reine Geist-Energie ist aber keine blinde, dumpfe Kraft. Vielmehr erarbeitet sie Pläne und Strategien und verwirklicht die Eindrücke, die das Denken auf sie ausgeübt hat. Da sie jenseits von Zeit und Raum arbeitet, ist sie nicht in ihrer Fähigkeit beschränkt, unsere Gedanken zu empfangen und zu antworten, indem sie den Kanal nutzt, der offen und reaktionsbereit ist. Hierin besteht die Genialität des Geistes: SEINEN Plan auszuführen und der eigenen Natur treu zu bleiben, während er zugleich unsere Gedanken und Träume zur Manifestation bringt.

So wird der auf einer einsamen Insel gestrandete Seemann oder der verirrte Zeltwanderer gefunden. Wird ein Gedanke ins unendliche, grenzenlose, unmanifestierte Zentrum reinen Bewusstseins geschickt, so antwortet es. Dazu bereite Wesen (freier Wille ist immer am Werk) empfangen Gedanken und Winke, eine andere Richtung einzuschlagen oder in einer bestimmten Weise zu handeln – alles als Teile einer Lösung. Glaube, Wissen und Gewissheit stimulieren die Lösung und lassen sie klarer hervortreten. Gedanken und Glaube – die wir ja selbst beeinflussen können – bestimmen die Schnelligkeit und Sicherheit des Erfolgs in unseren Wechselspiel mit dem Geist. Bestimmend sind aber auch unsere Handlungen in Reaktion zu den vom Geist angebotenen Möglichkeiten. Denn wir sind die Mittler, welche die Arbeit des Geistes ausführen und die gemeinsame wechselseitige Beziehung vervollständigen.

Reagibilität des Geistes

Eine der wunderbaren Eigenschaften des Geistes besteht darin, sehr sensibel zu reagieren. Diese Eigenschaft erklärt sein Zusammenspiel mit uns beim Erreichen unserer Ziele. Jeden Augenblick unseres Leben arbeiten wir wissentlich oder unwissentlich mit ihm. Manchmal sind wir so vermessen, zu glauben, wir würden ihn kontrollieren. Das zeigt aber nur, wie wenig wir über die Wege des Geistes wissen. Ein solcher Glaube hat widrige Ergebnisse zur Folge, die zum Leben gehören und unaufhaltsam sind. Die meisten Menschen sehen nicht, dass sie selbst die Ursache unerfreulicher Konsequenzen sind. Reagibilität ist die Eigenschaft des Geistes, welche die Gedanken, Gefühle und Bilder, die wir in ihn hineinlegen, ins Leben zurückspiegelt. Wir legen großen Wert auf das Handeln, was ja auch ganz richtig ist, denn die Folgen unserer Handlungen können wir uns viel klarer und unmittelbarer vorstellen. Aber wir achten nur wenig darauf, unsere Gedanken, Einstellungen und Gefühle unter Kontrolle zu halten, obwohl diese in der Formung unseres Daseins eine wichtige Rolle spielen.

Wir können viel aus dem Bereich des Sports lernen, wo schon eher darauf geachtet wird, was die Sportler denken. Erfolgreiche Sportler wissen, dass körperliches Können nicht der wichtigste Siegesfaktor ist. Erfolg hängt von der Fähigkeit ab, Stimmungen, Gefühle und Gedanken zu steuern. Wir sehen das oft, wenn zwei Mannschaften gegeneinander spielen und sich der „Schwung“ deutlich von der einen auf die andere Mannschaft verschiebt. In unseren Begriffen hat hier ein Umschwung in Denken und Zuversicht stattgefunden, der sich in den Aktionen der Spieler manifestiert. Diejenigen mit dem „Schwung“ auf ihrer Seite wachsen über sich selbst hinaus. Die den Schwung verloren haben, strengen sich zwar sehr an, können aber nicht mehr ihr Bestes geben. Wenn es ihnen nicht gelingt, ihre Gedanken und Gefühle zu ändern, ist das Spiel vorbei. Ein Missgeschick oder Fehler der anderen Mannschaft oder ein großartiger Spielabschnitt reichen aus, um aus Pessimismus Optimismus zu machen. Wenn Sportler lernen, ihre Gedanken, Gefühle und Erwartungen besser zu steuern, dann haben sie den Schlüssel zum Erfolg in der Hand.

Genau das ist es, was große Sportler anderen voraus haben. Sie führen den erwünschten Bewusstseinszustand herbei, wenn maximale Leistung erforderlich ist. Es ist nicht schwer, diese Fähigkeit zu erwerben. Wir werden mit dieser Fähigkeit nicht gerade geboren; eher stolpern wir in sie hinein. Aber man kann sie erlernen, und in einem späteren Kapitel soll sie noch vorgestellt werden.

Verstünde man die wahre Macht des Denkens, würden wir uns viel energischer von Geschwätz, negativen Personen und widerwärtigen Medienpräsentationen fernhalten. Man würde sie ebenso meiden, wie man anderen widerlichen Dingen aus dem Weg geht. Wir sind, was wir denken, und unser Dasein spiegelt die Gedanken und Vorstellungen wider, denen wir gestatten, den Ton anzugeben. „Was der Mensch sät, das wird er ernten“ ist eine Redensart aus unserem Kulturkreis, der man eine teilweise Einsicht in die Reagibilität des Geistes entnehmen kann. Dieser Sinnspruch wird gewöhnlich mit Taten in Zusammenhang gebracht, aber dem Tun gehen Gedanken voraus. Deshalb muss man auch erkennen, wie wichtig Gedanken sind.

Jeder Gedanke, jedes Wort, jede Tat – egal wie klein – hinterlässt eine Spur im Geist. Der Geist empfängt jeden Eindruck von jeder Lebensform. Man kann es mit dem Sand an einem Strand vergleichen, auf dem entsprechend dem Gewicht eines daraufgestellten Gegenstands ein mehr oder weniger tiefer Abdruck zurückbleibt. Glücklicherweise hinterlässt nicht jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat auf dem Geist einen genügend starken Eindruck, um eine Herausbildung oder Manifestation auf der physischen Ebene zu bewirken. Das ist das auf unserer Daseinsebene (der physischen Ebene) installierte Sicherheitsventil. Es verhindert, dass wir uns schweren Schaden zufügen, während wir noch dabei sind, geistige Disziplin zu lernen. Dieser Aspekt des Gesetzes der Verhaltensweisen schützt beispielsweise den Mann, der in einem Augenblick des Zorns jemandem den Tod wünscht. Innerhalb weniger Minuten hat er vielleicht schon wieder ganz andere Gedanken und Gefühle. Wer jedoch länger an dieser Idee festhält und sie mit Gefühlen und Vorstellungsbildern umgibt, könnte bewirken, dass sie sich in physischer Form manifestiert und anderen schadet. Der spirituelle Preis dafür ist allerdings hoch. Durch den austarierenden Aspekt des Geistes, nämlich durch das Gesetz von Ursache und Wirkung (du erntest, was du säst) lernt die Seele schließlich, dass man mit diesen Kräften nicht wie mit Spielzeug umgehen darf.

Die Natur des Gebets

Das Gebet ist ein Weg, an die reagible Natur des Geistes zu appellieren. Es ist jedoch oft erfolglos, weil seine Natur missverstanden wird. Die meisten Gebete gehen von der Annahme aus, es gäbe da eine wohlwollende Gottheit, die auf unser Flehen je nach unserer Würdigkeit reagiert oder auch nicht. Daran ist sogar etwas Wahres, wenn auch nur indirekt. Es wird dabei übersehen, dass die Fähigkeit des Geistes, sehr sensibel auf unsere Gebete zu reagieren, überhaupt nichts mit Moral zu tun hat, wie wir dieses Wort normalerweise gebrauchen, sondern nur mit dem Gesetz des Geistes. Dieses Gesetz besagt, dass der Geist auf alle Ideen oder Gedanken reagiert, die in ihn hineingelegt werden. Danach entscheiden Dauer und Intensität der Konzentration und inneren Sicherheit, in welchem Maße und wie schnell der Geist reagiert. Diese Untergesetze sollen jetzt betrachtet werden.

Die Macht des Glaubens

Die Metapher vom „Glauben eines Senfkorns“ beschreibt die Reinheit des Glaubens oder der Überzeugtheit, die nötig ist, um Veränderungen zu bewirken, ja sogar „Berge zu versetzen“. Das Senfkorn als lebendes Ding lebt im Geist und kommuniziert mit ihm. Es hat absolute Überzeugung und Gewissheit, dass einmal ein Senfbaum aus ihm wird. Ein so absoluter Glaube kann alles erreichen: auf dem Wasser gehen, Brotlaibe und Fische vermehren und sogar Universen erschaffen. Alles geschieht durch die Macht des Geistes – ausgelöst durch Gedanken, exponentiell gesteigert durch Glauben und ins Dasein gebracht durch seine ihm innewohnende Intelligenz und Formkraft.

Vorstellung und Gefühl

Der Spruch „Was du siehst, ist was du bekommst“ („What you see is what you get“) aus den frühen Tagen der Textverarbeitung müsste, auf unser Thema angewandt, lauten: „Was du siehst und fühlst, ist was du bekommst“. Geist reagiert nicht nur auf unsere Gedanken, sondern auch auf klare Vorstellungsbilder samt den zugehörigen Empfindungen und Gefühlen. Diese Verbindung aus Vorstellung und Gefühl macht den stärksten Eindruck und hat eine beschleunigende Wirkung auf das gestaltende Wirken des Geistes. Laut vieler spiritueller Lehren erfolgt Gottes Schöpfung in einem Traum. Diese Metapher ist für uns von größter Relevanz. Sie stellt treffend dar, durch welches kreative Verfahren der Schöpfer und ihrerseits wiederum die Seele mit dem Geist arbeitet, um in der äußeren Welt eine Wirkung hervorzubringen. In unserem Leben müssen wir ein inneres Bild der gewünschten Realität formen, dieses Bild festhalten und auch lernen, dieses Bild zu träumen.

Dauer der Konzentration

Im Reich des Geistes, in der die Zeit eine Illusion ist, müssen wir den Begriff der Dauer überdenken. Dauer kann man sich vorstellen als eine erinnerte Abfolge gegenwärtiger Augenblicke. Sehr wichtig ist es dabei, die Aufmerksamkeit zu konzentrieren. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf einen Gedanken gerichtet halten, steigert ausgedehnte Konzentration die Wirkkraft auf den Geist. Diese Wirkkraft wiederum ist ein Maß für den Fluss von Kreativität, während der Geist die von unseren Gedanken, inneren Bildern und Gefühlen geschaffene „Gussform“ füllt. Der Fluss des Geistes intensiviert sich, je mehr von unserem konzentrierten Bewusstsein ins Spiel gebracht wird. Wir fühlen die von der bevorstehenden Manifestation unserer Vorstellung bewirkte Erregung. Während wir andere Aspekte dieser inneren Vorstellung fühlen und erleben, bewegt sich der Geist in entsprechendem Maße, um die Lebenskraft zu liefern, die für die endgültige Manifestation erforderlich ist.

Der Aktionsaspekt

Aktion ist ein wichtiger Aspekt in der Reagibilität des Geistes. In ihrer reinsten Form reicht die Aktion des Visualisierens – die Gedanke, Vorstellung und Empfindung umfasst – aus, um jede Wirkung in der äußeren Welt hervorzurufen. Doch die meisten Menschen haben nicht den Glauben des Senfkorns. Ihre Gedanken sind von Zweifeln über die Natur des Geistes erfüllt, und sie sind sich nicht sicher, „ob es wohl auch diesmal wieder funktioniert“.

Bei den meisten Menschen wird dieser Prozess von Zweifeln getrübt – ganz gleich, wie oft der Geist schon „funktioniert“ hat. Je größer der Zweifel, umso mehr Aktion ist erforderlich. Aktion spielt zwei Rollen. Erstens ermöglicht sie es dem Geist, stärker und schneller auf Elemente der physischen Welt einzuwirken. Geist kann langsam sein, jedenfalls für den menschlichen Verstand – man denke an die Bewegung von Gletschern. Indem sie die Zuversicht, d.h. den Glauben einer Person stärkt, hat Aktion zweitens eine bekräftigende und wechselseitig aufschaukelnde Wirkung. Je mehr Dinge wir tun und geschehen sehen, umso mehr sind wir geneigt zu glauben. Das fördert, beschleunigt und unterstützt den Geist in seiner Arbeit für uns und durch uns.

Wechselwirkende Natur des Geistes

Der Geist reagiert aber nicht nur auf unsere Gedanken, Gefühle und Aktionen, er agiert auch in wechselwirkender Weise. Je mehr wir an seine Rolle in unserem Leben glauben und ihr vertrauen, umso stärker reagiert er auf uns und handelt wie ein Partner. Im Laufe eines arbeitsreichen Tages und beansprucht von den Forderung von Familie und Geschäft vergesse ich manchmal meinen guten Freund und Verbündeten, den Geist. Wenn ich mich dann wieder an ihn erinnere, wird seine Gegenwart spürbar, und ich lasse mich darauf ein. In einer Welt der Veränderung und Unbeständigkeit ist der Geist immer da – ruhig, zuverlässig, ewig. Nie hat der Geist mich im Stich gelassen. Wenn Du gelernt hast, ihm zu vertrauen, wird er auch Dich niemals im Stich lassen.

Vertrauen ist das Maß für unser Verhältnis zum Geist. Je mehr wir ihm vertrauen, umso stärker reagiert er auf uns. Ignorieren wir ihn und handeln, als ob es ihn nicht gäbe oder er in unserem Leben ohne Bedeutung sei, reagiert er entsprechend. Unser Leben verliert dann den Zauber, der von denen gefühlt wird, die mit Geist erfüllt sind und ganz auf dessen wunderbare Fähigkeiten vertrauen. Die reagible Natur des Geistes bewirkt, dass er sich genau so verhält, wie wir glauben, dass er sich verhalten wird. Er wird das, was wir glauben, dass er sei.

Geist ist ruhig und freundlich, nicht laut und tadelnd (auch wenn ich mir das manchmal wünschen würde). Wir müssen stiller werden, um seine über unser höheres Selbst kommende Botschaft zu hören. Diese Botschaft kommt als leichter Anstoß, plötzliche Einsicht, „gute Schwingung“, Wachtraum und in hunderterlei anderer, oft für die Person und ihre Wahrnehmungsfähigkeit ganz typischer Weise.

Der Geist und Du: Klarstellung der Rollen

Ein Ziel ist ein abgegrenztes Bild, ein Endpunkt, ein Abschluss. Es ist unsere Sache, das Ziel zu setzen; es ist Sache des Geistes, den Vorgang zu entfalten und zu lenken. Alle Ideen, Vorstellungen und Gefühle, sofern sie sich dem Geist genügend aufprägen, werden zu Programmatiken oder Zielen, auf die sich die Tätigkeit des Geistes richtet. Wir wenden diesen Aspekt des Gesetzes des Geistes in unserem Alltagsleben ausgiebig an, auch wenn wir diesen Aspekt nicht in seiner ganzen Tiefe verstehen. Wir wissen alle, wie wichtig es ist, sich ein Ziel zu setzen. Unzählige Bücher, Tonbänder und Kurse lehren uns, wie man das macht.

Wir haben sogar gelernt, es unseren Maschinen beizubringen. Der Satellitennavigator im Auto ist ein Beispiel dafür, wie wir dieses spirituelle Prinzip in einer Maschine nachgeahmt haben. Der Navigator zeigt uns jederzeit unsere Position an, aber das wahre Potential erleben wir, wenn wir ein Ziel eingeben. Der Navigator bietet uns sogar die Wahl zwischen schnellster, kürzester oder schönster Route an. Ist der Zielort erst einmal berechnet, zeigt und sagt uns das System, wann und wo wir abbiegen müssen. Wenn wir eine Ausfahrt verpassen oder von der berechneten Route abweichen, berechnet das System die beste Route vom augenblicklichen Standort aus neu. Wenn wir ein Ziel löschen, Anleitungen ignorieren oder unseren Zielort ändern, reagiert der Navigator entsprechend und führt uns in jede gewünschte Richtung weiter.

Ähnlich wirkt der Geist in unserem Leben, um die Ziele zu erreichen, die wir uns setzen. Hat der Fahrer sein Ziel erst einmal programmiert, kann er sich zurücklehnen und die Fahrt genießen. Er kann sich darauf verlassen, dass das System ihn zum Zielort führt. Wenn wir mit dem Geist kooperieren, sollten wir es ebenso machen. Doch stattdessen hören wir allzu oft den Geist nicht, wir ignorieren ihn, widersetzen uns oder stellen ihn in Frage. Letztlich lehnen wir die Führung unseres spirituellen Navigators ab. Wie das Navigationssystem eine Straßenkarte enthält und uns die gewünschte Route angibt, so hat auch unser spirituelles System Überblick über alle Gegebenheiten, Zustände und Möglichkeiten. Unsere innere Führung ist bei weitem besser in der Lage, uns durchs Labyrinth des Lebens zu navigieren, als wir allein es könnten. Wenn wir viele unserer Ziele nicht erreichen, so erklärt sich das daraus, dass wir die Führung des mit unserem höheren Selbst arbeitenden Geistes nicht hören oder ihr nicht trauen.

Der Geist reagiert auf jeden Gedanken, jedes Gefühl und jede Handlung. Wenn wir nicht mit ihm als Partner kooperieren, dann ist es unser eigener Fehler. Natürlich ist das Navigieren durchs Leben bei weitem vielschichtiger als die Aufgabe eines Kfz-Navigationssystems. Mit einem gewöhnlichen Stadtplan ohne Navigator würden wir wahrscheinlich immer noch gut ans Ziel kommen. Aber das Leben hat keine solche Karte und es ist viel komplizierter als jede Autoreise. Umso mehr Grund, warum wir verstehen sollten, wie unser spiritueller Partner arbeitet, wie man auf ihn hört und wie man seinen Vorschlägen folgt und vorankommt.

Ein spirituelles Axiom besagt „Wie oben, so unten“. Damit wird die Quelle allen Entdeckens, Lernens und Wissens in der physischen Welt beschrieben. Dadurch haben wir unser Wissen über das Setzen von Zielen erhalten. Wir haben dieses Wissen im Funktionsprinzip unserer Maschinen angewendet. Jetzt müssen wir es auch in unserem Leben zur Anwendung bringen. Die enge Verbindung zwischen Menschen in der physischen Dimension und dem Geist in anderen Dimensionen wird kaum gesehen oder verstanden. Und doch ist sie die Grundlage allen Lebens, allen Fortschritts und aller spiritueller Entwicklung.

Neutralität des Geistes

Unser Begriff von einem gütigen, anteilnehmenden und liebenden Schöpfer fördert die Vorstellung, dass der Geist auf der Seite bestimmter Völker, Ideen oder Handlungen stünde. So kam die irrige, ethnozentrische Vorstellung eines „auserwählten Volkes“ zustande. Dieser Ausdruck könnte uns geradezu verlocken, nach einem Tatsachenverdreher aus dem Altertum Ausschau zu halten. Geist ist neutral in seiner Reaktion auf die Gedanken, Worte oder Aktionen eines jeden Wesens und darin, wie er sie zur Verwirklichung bringt. Diese Neutralität, Unparteilichkeit, Vorurteilslosigkeit oder Unvoreingenommenheit ist ein wesentlicher Aspekt der Natur des Geistes. Sie erfüllt die Forderung des Grundprinzips, dass alle Seelen ihren Willen frei ausüben. Die Ausübung des freien Willens zieht nach sich, dass die Seele aus jeder Entscheidung und Handlung lernen kann, indem sie die Konsequenzen erlebt. Wenn der Geist auf der Seite eines bestimmten Bündels an Entscheidungen oder einer bestimmten Menschengruppe stünde oder eine bestimmte Nation anderen Nationen vorzöge, würde er Einfluss in einer bestimmten Richtung ausüben. Das würde der Notwendigkeit widersprechen, dass die Seele die gesamte Realität erleben und bewusst einen Handlungsgang wählen muss, der zur Erweiterung ihrer Bewusstheit führt.

Geist ist neutral und bringt alle in ihn gelegten Ideen, Gedanken oder Gefühle zur Verwirklichung – seien sie positiv oder negativ, gut oder schlecht. Menschen haben nicht alle die gleiche Fähigkeit, zu glauben und ihr Denken zu steuern. Menschen, die glauben, Opfer zu sein, bleiben Opfer. Menschen, die sich machtvoll und in Kontrolle der Dinge fühlen, werden es sein und bleiben. Das hat nichts mit Bevorzugung im Sinne göttlicher Günstlingswirtschaft und ganz sicher nichts mit Schikane oder Viktimisierung zu tun. Es hat ausschließlich damit zu tun, wie gut die Prinzipien des Geistes verstanden und in Lebenspraxis umgesetzt werden. So beweist also die Vorstellung, dass Geist und spirituelle Dinge mit „gut und böse“ zu tun hätten, fehlende Einsicht in die neutrale Natur des Geistes.

Geist und Schönheit

Als ich eines Tages eine Kontemplationsübung machte, hatte ich die Vision eines dem römischen Kollosseum ähnlichen Amphitheaters, das ringsherum Eingänge hatte. Auf jedem Tor war ein einziges Wort eingraviert wie „Glück“, „Freude“ oder „Ordnung“. Ich ging durch ein Tor mit der Aufschrift „Schönheit“. Als ich in den äußeren Raum kam, konnte ich das Amphitheater sehen. Es war voller Licht und wunderbarer Musik. Ich fühlte die Energie und Liebe des Geistes ringsumher. Alle anderen Tore führten in dasselbe Areal und boten Zugang zu dem herrlichen Licht und der Musik aus dem Zentrum.

Ich deutete diesen Traum in dem Sinne, dass die Worte auf den Toren Bewusstseinszustände repräsentierten. Hat der Sucher sich einmal auf einen dieser Zustände eingestellt, so gewinnt er direkten Zugang zum Herzen des Geistes. Denkt er über Schönheit nach, so wird er unmittelbar mit der Frage konfrontiert, was Schönheit eigentlich ist. Offensichtlich ist sie kein einzelnes Ding und kann nicht in absoluten Begriffen definiert werden. Sie ist je nach dem Bewusstseinszustand einer Person etwas anderes und liegt in dieser Hinsicht tatsächlich „im Auge des Betrachters“. Aber das ist nicht die wichtigste oder interessanteste Frage. Gibt es etwas Transzendentes in der Natur der Schönheit, das die Bewusstheit auf eine neue oder andere Ebene hebt? Die Schönheit einer Blume öffnet unser Herz für die Wunder der Schöpfung. Die Schönheit in der Gestalt einer Frau oder der Statur eines Mannes ruft eine etwas andere Reaktion hervor. In einer Person wird dabei auch die Energie des Geistes bewegt, jedoch meist auf unterschiedlicher Ebene. Jede dieser Formen von Schönheit ruft eine innere Reaktion hervor, die sich auf irgendeiner Ebene aus dem Herzen des Geistes nährt. Jede Schöpfung geht mit einem Kontinuum von Schwingungen einher, das die verschiedenen Wege repräsentiert, wie diese Schöpfung wahrgenommen werden kann. Daraus kommen geschmackliche Unterschiede und unterschiedliche Reaktionen auf dieselbe Erscheinungsform von Schönheit. Wir berühren hier den Umstand, dass sich der Geistes auf verschiedenen Ebenen ausdrückt. Aber was für Ebenen sind das? Wie kann man sie erfahren? Und wie kann man sie voneinander unterscheiden? Wir werden in einem anderen Kapitel näher auf diese Fragen eingehen. Hier soll die Feststellung genügen, dass der Geist seine Energie in unterschiedlichen Formen und auf unterschiedlichen Ebenen manifestiert, die alle durch eine bestimmte Darstellungs- oder Ausdrucksweise von Schönheit heraufbeschworen werden können.

Oft wird Geist über die Kreativität eines Künstlers beliebigen Genres „angezapft“ und erfahren. Das Ergebnis wird so unterschiedlich und vielfältig sein, wie es individuelle Ausdrucksformen von Kreativität gibt. Jedoch ist die Ebene der spirituellen Verbindung, aus der eine Schöpfung hervorgeht, kein Bestimmungsfaktor für die Natur oder Qualität des Ergebnisses. Mit anderen Worten: Der endgültige kreative Ausdruck von Schönheit hat nichts mit der Reinheit oder der Ebene der Verbindung mit dem Geist zu tun, aus dem der Schaffende schöpft. Zwei Menschen mögen denselben Sonnenuntergang sehen und eine tiefe spirituelle Verbindung mit dem Anblick empfinden. Ein Gemälde kann als grässlich und ein anderes als großartig angesehen werden. Doch wer könnte sagen, welcher Künstler vom Geist auf einer höheren bzw. tiefsinnigeren Ebene inspiriert wurde?

Viele Menschen versagen sich die Gelegenheit, eine Verbindung mit dem Geist zu erleben, weil sie sich um die Qualität des Gemäldes, Lieds, Buchs oder sogar Speisemenüs Sorgen machen, an dem sie arbeiten. Die Gesellschaft hat eine falsche Norm aufgestellt, die besagt, dass wir es lieber bleiben lassen sollten, wenn wir nicht in der Lage sind, ein kreatives Werk hervorzubringen, das auch jemand anderem gefällt. Wenn wir uns dieser Norm beugen, verlieren wir die Freude am Schaffen zu unserem eigenen Vergnügen und die damit einhergehende Verbindung mit dem Geist. Die Reaktion anderer sollte nicht den Ausschlag dafür geben, ob wir eine bestimmte Ausdrucksform von Schönheit gebrauchen dürfen oder nicht. Es reicht, wenn es uns selbst glücklich macht.

Intelligenz (Kreativität)

Geist hat eine Intelligenz oder Kreativität, durch die er weiß, was du wünschst oder brauchst, bevor du es selbst weißt. Als Partner im Erfahren des Lebens schickt er fortwährend Situationen und Menschen auf deinen Pfad, die genau zur rechten Zeit und am rechten Ort erscheinen, um deinen Notwendigkeiten zu entsprechen und deine Wünsche zu erfüllen. Dieser Vorgang läuft so natürlich ab, dass wir es normalerweise nicht einmal bemerken. Ich erinnere mich an eine Zeit, als mein Unternehmen eine Kapitalspritze von mehreren hundertausend Dollar benötigte. Ich hatte keine Ahnung, woher das Geld kommen sollte, denn die Bank wollte unseren Kreditrahmen nicht vergrößern. Vergebens erwog ich die Situation mit meiner ganzen Verstandeskraft. Ich erinnere mich nicht mehr, ob es durch einen Traum oder durch eine frühere Einsicht kam, aber ich mir war ganz sicher, dass der Geist eine Antwort bereit hatte – wie es ja immer der Fall gewesen war. Ich wusste, dass der Geist Lösungen aus Umständen entwickelt, die im Leben bereits präsent sind. Die Antworten liegen oft direkt vor unseren Augen.

Wir hatten vor einiger Zeit ein neues Haus mit mehreren angrenzenden Parzellen gekauft. Wir hatten noch nicht lange dort gewohnt, und unser Wissen über Grundstückspreise beschränkte sich auf den seinerzeit getätigten Kauf. Eines Tages nun bemerkte ich, dass einige Parzellen weiter ein neues Haus gebaut wurde, und ich fragte nach dem Preis. Zu meinem Erstauen war er fast zweimal so hoch wie der Preis, den wir erst zwei Jahre zuvor bezahlt hatten – und dabei war das neue Haus sogar kleiner als unseres. Erst dachte ich an einen Irrtum, denn die Schätzung kam von einem Arbeiter am Bauplatz – ein netter Kerl, aber kein Fachmann für Immobilienpreise. Interessehalber erkundigte ich mich bei unserem Immobilienmakler, ob das nicht eine falsche Auskunft gewesen sei und was der Markt derzeit eigentlich hergäbe. Nein, es war kein Irrtum, die Immobilienpreise seien in den letzten zwei Jahren in die Höhe geschossen. Der Wert unserer zusätzlichen Parzellen habe sich seit unserem Kauf mehr als vervierfacht! Ich fühlte mich ganz klein und konnte nur noch staunen. Die Lösung hatte tatsächlich vor meiner Nase gelegen. Ich war täglich darauf herumgelaufen ohne zu erkennen, dass der Geist die Lösung bereits geliefert hatte – lange bevor ich von dem Problem etwas wusste.

Man könnte nun leicht einwenden, dass diese Entwicklungen nichts mit dem Geist oder mit mir zu tun gehabt hätten. „Die Grundstückspreise sind halt gerade gestiegen, und du warst zur rechten Zeit am rechten Ort“, mag mancher sagen. Ja vielleicht, aber ich hätte von den guten Marktbedingungen vielleicht nichts mitbekommen ohne den inneren Impuls, den Arbeiter nach dem Wert den Nachbargrundstücks zu fragen. Aber wäre die Annahme nicht vermessen, dass der Geist solche Kräfte in Bewegung setzt, nur damit es mir nützt, auch wenn er dabei seinen Segen über die Gesamtheit ausbreitet? Kann sein, aber wenn man das immer wieder erlebt, dann erkennt man, dass es eine Macht gibt, die mit und für uns arbeitet. Sie segnet dich, wie sie alle segnet, die in einer ähnlichen Situation stehen. Als ich diese Möglichkeit als Tatsache akzeptierte, kam ich immer mehr dazu, spirituellen Eingriff zu erwarten. Meine Akzeptanz und Erwartung schienen dazu beizutragen, dass solche Ereignisse immer häufiger eintraten. Ich konnte sie nicht mehr als reinen Zufall abtun.

Aber der Geist hat noch weitaus größere Fähigkeiten. Der Geist kann der Meisterplaner genannt werden, denn er entwickelt Pläne für die allerkompliziertesten Situationen, die uns letztlich zur Verwirklichung unserer Ziele verhelfen. Architekturgestalter, Stadtplaner, Verfassungsschöpfer, Experte für Unternehmensfusionen – alles keine große Sache für den Geist. In Reaktion auf einen Traum oder eine Vision erschuf er Planeten, Sterne, den Kosmos, die Universen – alles was wir wissen, sehen und nicht sehen können. Er ist das „Arbeitspferd“ des Universums, das ausführende Organ des ALL-SEIENDEN. Er schafft Manifestationen in verschiedenen Formen, um die Notwendigkeiten auf verschiedenen Existenzebenen zu befriedigen.

Wer jemals in ein kreatives Projekt involviert war, kann von den eigenartigen Signalen und Impulsen berichten, die er als plötzliche Einfälle, Visionen, im Schlaf oder als Wachtraum erhalten hat. Oft bleibt uns die Beteiligung des Geistes wegen der listigen Natur unseres Egos verborgen, das sich ständig vordrängelt und alles als eigene Leistung in Anspruch nimmt. Das Ego hat seinen Platz und noch dazu einen interessanten. Vorerst genügt es, sich bewusst zu werden, dass wir hinter und über das Ego hinaus blicken müssen, um die Wahrheit über die Rolle des Geistes in unserem Leben zu entdecken. Der Geist schläft niemals. Er ist immer wachsam, immer da, und wartet darauf, seine nächste Aufgabe zu erfüllen.

Geist ist Ordnung

Wie Schönheit liegt die Ordnung im Auge des Betrachters. Aber was auch immer wir als Ordnung ansehen – sobald eine Person Ordnung wahrnimmt oder schafft, entsteht ein Gefühl von Harmonie mit dem Geist. Als Eltern haben meine Frau Mary und ich laufend mit dem Chaos im Kinderzimmer zu schaffen. Sich da hineinzuwagen, ist wahrlich ein Abenteuer. Unsere Kinder sagen, dass alles absolut perfekt aussähe. Sie sind glücklich damit, so wie es ist, und sind aufgebracht, wenn alle Gegenstände ihren rechten Platz bekommen. Ich konnte argumentieren, dass man bei unserer Art von Ordnung wenigstens ihre schmutzige Wäsche finden könnte. Bei ihrem Sinn für Ordnung war alles durcheinander, und oft konnten sie nichts Sauberes mehr zum Anziehen finden. Trotzdem beharrten sie darauf, dass ihr Ordnungssinn soviel wert sei wie unserer – aber unsere Argumentation konnte sich dann doch durchsetzen. Wir waren zufrieden mit diesem Sieg, aber die Argumentation der Kinder, klang bei mir noch nach.

In einem Park sah ich einmal eine hübsche Pflanzenanordung, die Landschaftsgärtner fürs Publikum arrangiert hatten. Dann spazierte ich vom Rand des bepflanzten Areals in einen Wald. Da lagen Bäume kreuz und quer, und der ganze Boden war mit Blättern bedeckt. Mit anderen Worten, der Wald sah wie unser Kinderzimmer aus, während die Gartenlandschaft eher meinem Ordnungssinn entsprach. Als ich genauer beobachtete, welche Art von Ordnung in der Natur herrscht, viel mir auf, dass alles in einem gewissen Sinn in perfektem Gleichgewicht war. Jeder umgefallene Baum war da liegen geblieben, wo die Abwärtskraft von einer Aufwärtskraft aufgehoben wurde. Alles war im Gleichgewicht. Das gleiche galt für jeden Ast, jedes Blatt und jedes sonstige Ding auf dem Boden, das mir auffiel. War das Ordnung? War meine Vorstellung von Ordnung der von der Natur geschaffenen Ordnung überlegen oder einfach nur anders? Nach einiger Besinnung war mir klar, dass es verschiedene Arten von Ordnung gibt.

Erstens ist da die menschliche Ordnung. Dabei gehen naturgemäße Aspekte von Ordnung eine Verbindung mit einem starreren und strukturierteren System ein, das sich an der Illusion einer geraden Linie ausrichtet. Es ist etwas an geraden Linien, Quadraten und anderen „perfekten“ Formen, das uns ein gutes Gefühl gibt. Vielleicht ist es die Einfachheit der Gestaltung, die uns das Gefühl verschafft, mehr Kontrolle über Dinge zu haben, die auf diese Weise angeordnet sind. Das ist die konventionelle Vorstellung von Ordnung. Sie kommt zum Ausdruck in den Gegenständen, die wir schaffen, in der Art und Weise, wie wir unsere Gedanken ordnen, und in anderen Dingen mit Form und Farbe.

Die zweite Art könnte man natürliche oder spirituelle Ordnung nennen. Diese Art von Ordnung hatte ich im Wald beobachtet. Wir sehen sie auch in der Anordung der Sterne im Himmel. In der natürlichen Ordnung ist jedes Ding anders. Jedes ist einmalig. Alle Dinge entfalten sich gemäß höheren Gesetzen, die das menschliche Bewusstsein nicht immer versteht.

Die dritte Art von Ordnung könnte man als Wahllosigkeit oder Chaos bezeichnen. Es ist vielleicht seltsam, das als Ordnung anzusehen, und doch ist es eine. Auf diese Art von Ordnung beriefen sich in gewisser Weise meine Kinder. Die im Chaos vorhandene Ordnung gilt nur für den, der sie schafft. In meinem Unternehmen stoße ich oft auf Mitarbeiter, die auf ihrer eigenen Art von Ordnung bestehen. Sie argumentieren, dass alles geordnet sei; sie wüssten, wo alle Sachen liegen. Damit können sie natürlich Recht haben, aber ich erinnere sie dann daran, dass es auch noch andere Leute im Unternehmen gibt. Jeder muss den „Beinbruch“-Test bestehen: Kann man die Ordnung erkennen und verstehen, so dass wichtige Sachen gefunden werden können, wenn die zuständige Person verhindert ist?

Zwar steht keine Art von Ordnung spirituell höhere als andere, doch würde die Welt ohne allgemeine Akzeptanz bestimmter Ordnungsstandards nicht sehr effizient laufen. Alle Facetten unseres Lebens sind auf diese Weise organisiert. Von Straßen- und Gebäudebau bis zu Sprache und Information gibt es einen Ordnungsstandard für das, was die Gesellschaft akzeptiert. Wenn wir unser Bewusstsein nach diesen Standards ausrichten, definieren sie auch die Ordnung in unserem eigenen Universum. Entspricht unser Handeln und unsere Umgebung dieser Definition, so empfinden wir Harmonie und Ausgewogenheit. Dies wiederum stellt eine Verbindung zum Geist her, der dann freier in unser Bewusstsein einströmen kann.

Wir erleben das, wenn wir unser Auto reinigen, es auf Hochglanz bringen und gut in Schuss halten. Die gleiche Einstimmung auf den Geist tritt ein, wenn wir unseren Schreibtisch oder unser Zimmer aufräumen. All diese Situationen bringen uns in Einklang mit unserem inneren Sinn für Ordnung, und das verbindet uns mit dem Geist. Noch einmal: Ordnung findet sich in menschengemachter, natürlicher und wahlloser Form. Geist fließt in jede Form von Ordnung ein, auf die sich unser Bewusstsein eingestimmt hat, und hilft bei ihrer Verwirklichung. Der Geist verwirklicht alle Formen, und diese spiegeln ihrerseits wider, was jemand als innere und äußere Harmonie empfindet.

Als Sucher praktizierte ich eine Übung, die mir sehr dabei half, mich von einen vorhandenen inneren Ordnungssinn zu einem anderen zu begeben. Als ich ins Geschäftsleben einstieg, musste ich mich an den Ordnungsstandards ausrichten, die in dieser Welt gelten, und das war nicht der Standard, nach dem ich damals ausgerichtet war. Zweimal täglich machte ich eine Schachtel Zahnstocher auf und streute sie auf den Tisch. Langsam und systematisch legte ich dann jeden Zahnstocher in die Schachtel zurück. Das visuelle Erlebnis, von einer willkürlichen Ordnung zu einer strukturierten Ordnung zu gelangen, prägte sich meinem Denken auf.

Im Ergebnis war meine persönliche Umgebung auf konventionellere Weise übersichtlich und geordnet, mein Schreibtisch war besser organisiert, mein logisches Denken war straffer und auch andere Aspekte meines Lebens spiegelten diese Ordnung wider. Dabei achtete ich jedoch darauf, auch den Wert anderer Formen von Ordnung zu würdigen. Wenn wir uns zu anderen Formen von Ordnung bewegen, öffnen wir uns für kreatives, spontanes und innovatives Denken, wie es von zufälligen und chaotischen Ordnungsmustern hervorgebracht werden kann. Letzten Endes ist alles eine Sache der Wahl. Alle Aspekte universeller Ordnung sind uns zugänglich, und alle haben Gültigkeit. (Unsere Kinder mussten aber trotzdem ihr Zimmer aufräumen.)

Die Illusion der geraden Linie (Gesetz der Zyklen)

Zwar spricht unsere ganze Erfahrung dagegen, doch oft meinen wir, dass wir uns ohne Rückschlag, Verzögerung oder Unterbrechung auf ein Ziel zubewegen sollten. Tatsächlich wollen die meisten Menschen nicht für Rückschläge, Verzögerungen, Fehler und Schwierigkeiten verantwortlich sein. Viele sind risikoscheu geworden. Ein Rückschlag wird als Versagen betrachtet oder als Hinweis darauf, dass wir nicht fähig waren, die in unserem Leben wirkenden Kräfte unter Kontrolle zu halten – ein weit verbreiteter Irrtum. Gewiss zeigt es Einsicht in universelle Prinzipien, wenn jemand versucht, Störungen und Rückschläge möglichst einzudämmen, aber sie gehören nun einmal zur natürlichen Ordnung. Und doch besteht das Ideal der geraden Linie fort.

Keine bedeutende Leistung wird ohne Probleme erzielt. Die gerade Linie ist eine menschliche Schöpfung. In der Natur fließt alles in Schwingungen. Dieses Muster findet man in einfachen Formen der Natur wie in Bäumen, Wolken und Wellen, aber auch in den kompliziertesten astronomischen Beobachtungen. Das heißt, auf unser Leben übertragen, dass sich nichts ohne Auf und Ab von der Zielsetzung bis zum Erfolg bewegt. Außerdem ist unsere Fähigkeit, die exakte Bewegung dieser Ebben und Fluten vorauszusehen, bestenfalls minimal. Wir können nur sagen, dass Beharrlichkeit auf dem Weg zu einem Ziel samt Anpassungen an auftretende Zwischenfälle unweigerlich zur Verwirklichung des Ziels führt.

Die Quelle unserer Zweifel, und wie man dem Geist vertraut

Vielleicht haben unsere Zweifel gar nichts mit dem Geist zu tun. Vielleicht sind wir nur nicht sicher, ob wir uns darauf verlassen können, dass WIR unseren Teil erfüllen. Immerhin haben wir es in der Vergangenheit ja oft genug verpatzt. Uns klingt der alte Spruch in den Ohren: „Der Geist kann nichts für uns tun, was er nicht durch uns tun kann“, und wir werden an unsere eigene Verantwortlichkeit erinnert. Der Geist braucht uns als Kanal und „Verteilermedium“, um die Dinge, die wir uns wünschen, ins Dasein zu bringen. Aber sind wir fähig, dem Geist genügend zu vertrauen, um über solche Fragen hinauszuwachsen? Können wir uns von Furcht und Zweifel hin zu Zuversicht, Gewissheit und Sicherheit bewegen? Ja, mit der Zeit wird es uns gelingen. Es ist eine lange Reise auf einem mühsamen Weg, aber wir können es schaffen. Hier liegt der wahre Schlüssel zur Lebensreise. Es geht um das Zusammenspiel von Gottseele und Geist. Wir alle, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, versuchen, diesen großen Zwiespalt aufzulösen. Zuerst müssen wir durch viele Prüfungen gehen, viele Fragen stellen und einige Antworten finden. Je weiter sich der Prozess entwickelt, umso größer werden Zuversicht und Bereitschaft, sich dem Geist anzuvertrauen. Es ist fast so wie mit unserer ersten Romanze. Zunächst ist da ewas Zurückhaltung – wir wollen vermeiden, verletzt zu werden. Doch allmählich lockern wir unsere Schutzmechanismen und öffnen uns der anderen Person. Eine solche Beziehung müssen wir auch mit dem Geist haben. Es wird zunächst holperig gehen, besonders wenn wir bisher immer so stolz auf unsere Stärke und unser Selbstvertrauen waren. Warum sollte ich dieser Kraft vertrauen, die ich nicht einmal sehen kann? Woher soll ich wissen, ob es sie überhaupt gibt?

Diese Fragen waren seit Jahrhunderten die Quelle religiöser und philosophischer Spekulationen. Erstmals stieß ich darauf in einem geisteswissenschaftlichen College-Kurs. Wir nahmen das einigermaßen verwegene Thema „Teleologische Suspension des Ethischen“ durch. Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard (1813-1855) behandelte diese Frage in seinem Werk Furcht und Zittern (1846), worin er die Aufhebung des Moralgesetzes zugunsten eines höheren Gesetzes untersucht. Er schildert dieses Dilemma im Zusammenhang mit Gottes Befehl an Abraham, seinen eigenen Sohn zu töten. Abrahams Hingabe an Gott zwingt ihn zum Gehorsam. Doch eine solche Handlung wäre Mord, eine Verletzung von Gesetz und Moral seiner Zeit. Um diese Handlung zu begehen, müsste er seine ethischen Normen für einen höheren Glauben aussetzen.

Wenn wir in unserem Leben der Macht des Geistes begegnen, sind wir immer wieder aufgerufen, den Glauben an unsere eigenen Fähigkeiten aufzuheben und uns einer Kraft zu überlassen, die wir nicht sehen oder unmittelbar erkennen können. Wir stehen vor einem ähnlichen Dilemma, wenn es auch kein gar so grausames ist wie das von Abraham. Immerhin, wie wir in unserer Beziehung mit dem Geist voranschreiten, werden auch wir in Situationen gestellt, die immer mehr Vertrauen und Glauben verlangen. Manchmal werden unsere Prüfungen auch fordern, dass wir gesellschaftliche Normen zugunsten höherer Prinzipien fallen lassen. Mit der Zeit werden wir, während wir durch Gutes und Schlechtes gehen, auch lernen, dem Geist mehr zu vertrauen. Wir werden seine Wege etwas besser begreifen. Und je mehr wir ihm vertrauen, umso mehr wird er uns vertrauen. Die Botschaft des Geistes und der Weg zur Hingabe ist: Frag mich nicht, wie ich dieses Problem für dich lösen werde oder wie das Ergebnis genau aussehen wird, bevor es sich verwirklicht – vertraue mir einfach. Und: Sag mir, was du wünscht, und glaube. Aber das ist nicht einfach, besonders wenn wir stolz darauf sind, scharfe Fragen stellen und analytisch denken zu können. Immerhin haben wir die Grundschule, das Abitur, ein Universitätsstudium und noch mehr hinter uns gebracht, Hunderte von Büchern gelesen und uns stets auf der Höhe der Zeit gehalten. Sollen wir das alles einfach so beiseite schieben?

Die Antwort ist JA! Wenn wir diese universelle Kraft erfahren möchten, dann müssen wir lernen, wie und wann wir unsere analytischen Fähigkeiten abzuschalten haben. Hierin liegt der Schlüssel. Der Verstand wird uns niemals an dieses Ziel bringen. Aber wie brechen wir die Verhärtung, das mentale Hinterfragen und die analysierenden Tendenzen des Kritikvermögens in unserem Denken auf? Wie schieben wir das beiseite und geben uns die Möglichkeit, den Fluss des Geistes zu spüren? Wir haben ihn ja schon alle dann und wann für kurze Zeit gespürt. Wir alle haben hin und wieder einen flüchtigen Blick auf das verheißene Land getan. Wir haben alle schon einmal – und sei es auch nur für einen Augenblick – gefühlt, was Vertrauen in den Geist bedeutet. Aber wie wäre es, wenn man sich wirklich ganz dem Geist hingäbe und dies gleich stundenlang erführe – leben in einen Zustand von Freude, ohne Sorge, ohne Beunruhigung, befreit von allen Problemen, die wir sonst mit uns herumschleppen? Die Antwort liegt darin, einfach loszulassen und unsere Aufmerksamkeit auf Vertrauen und Hingabe zu richten.

Hier liegt der Grund, warum eine ganz von einer intellektuellen Tradition durchdrungene Religion uns nur bis zu einem gewissen Punkt führen kann. Der gelehrteste Mensch weint vor der Himmelpforte, denn er versteht nicht, welche Münze ihm Eintritt gewährt. Die römische Kirche ist ein treffliches Beispiel dafür. Kaum eine andere Religion hat mehr Beiträge zum menschlichen Denken über das spirituelle Leben geleistet. Unzählige Abhandlungen wurden über feinste spirituelle Punkte geschrieben. Anfangs sind solche Bemühungen durchaus nützlich, um unseren Durst nach dem Göttlichen zu stillen. Aber es kommt der Punkt, wo uns das nicht mehr weiterbringt.

Wie erreichen wir es, dem Geist so uneingeschränkt zu vertrauen, dass wir jeden Tag und jeden Augenblick seine Führung suchen? Hier kommt der große, profunde „Sprung des Glaubens“ ins Spiel, der zu Vertrauen und Hingabe führt. Wie wir noch sehen werden, können wir diesen Zustand erreichen, indem wir unsere Gedanken steuern, die ihrerseits unseren Bewusstseinszustand bestimmen. Letzten Endes werden Vertrauen und Hingabe in der gleichen Weise erreicht, wie wir alle unsere Gedanken lenken. Je mehr wir in einem Zustand von Vertrauen und Hingabe leben, umso mehr lösen sich unsere Probleme ganz von selbst. Und überraschenderweise nehmen unsere intellektuellen und analytischen Fähigkeiten aufgrund der sich entwickelnden Partnerschaft mit dem Geist sogar zu. Tatsächlich entwickelt der Gottsucher eine innige Partnerschaft mit dem Geist. Es bildet sich in ihm die unbedingte Gewissheit aus, dass der Geist für alle seine Bedürfnisse sorgen wird. Er erkennt, dass diese allgegenwärtige Kraft ihn beschützt, ihn auf dem rechten Weg leitet, ihm alle Bedürfnisse erfüllt und ihm durch alle seine Erfahrungen Erleuchtung gewährt.

Aber wir wissen: Wenn wir unseren Fuß auf den Weg zu Gott setzen, dann stehen uns Kämpfe bevor, denn wir haben einen Prozess ständiger Veränderungen eingeleitet, die wir normalerweise fürchten und abwehren würden. Wieviel wir kämpfen, hängt ganz und gar davon ab, in welchem Maße wir uns der Veränderung ergeben und sie annehmen können. Wie oft müssen wir mit dem Kopf gegen die Wand rennen, bevor die Lektion gelernt ist? Wenn wir Schmerzen vermeiden wollen, dann ist es klug, die Veränderung schnell und anstandslos hinzunehmen – ohne Bewertung, ob die Veränderung gut oder schlecht ist. Denn Veränderung ist weder das eine noch das andere. Vielmehr hängt das davon ab, was wir aus den Gegebenheiten machen, in die wir uns hineingestellt sehen. Wenn wir die Einstellung haben, aus allen Vorkommnissen das Beste machen zu wollen, dann kann uns das Leben niemals überwältigen. Immer lauschen wir dann jener stillen, ruhigen Stimme in unserem Inneren, die uns beharrlich unserer unvermeidlichen Begegnung mit Gott entgegenführt.


[Ende des Kapitels]
 
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